Seit Jahren fahnden Physiker nach dem letzten unentdeckten Teilchen aus ihrer Theorie: dem Higgs-Teilchen. Am Beschleuniger LHC in Genf könnte der Nachweis nun geglückt sein. Die Forscher verraten nicht viel. Dafür bringt sich die Konkurrenz in Stellung.

Stuttgart - Der Teilchenbeschleuniger Tevatron im US-Bundesstaat Illinois ist im vergangenen Herbst abgeschaltet worden. Und doch warten die Physiker dort nun mit der Nachricht auf, sie hätten „starke“ Hinweise auf das Higgs-Teilchen gefunden – das Teilchen, nach dem die Fachwelt seit den 60er Jahren fahndet. Das einzige Teilchen aus dem sonst so bewährten Standardmodell der Physik, das noch nicht nachgewiesen worden ist. Wie kann es sein, dass die Nachricht so lange nach dem Ende der Experimente bekannt wird?

 

Die Frage ist eigentlich falsch gestellt, denn überraschender ist, dass die Nachricht so früh in die Welt gesetzt worden ist. Teilchenphysik ist ein mathematisches Stochern im Heuhaufen, denn die Signale der gesuchten Teilchen verbergen sich in einem Wust an Messdaten. In 26 Jahren Betrieb sind am Tevatron 20 Billiarden Bytes an Daten angefallen, und es dürften Hinweise auf einige tausend Higgs-Teilchen darunter sein – falls das Teilchen existiert. Für die statistischen Analysen brauchen Wissenschaftler eigentlich viel Zeit.

Der Chef weiß selbst nicht, was die Datenanalyse ergeben wird

Doch die ist jetzt knapp, denn die europäische Konkurrenz, die Physiker vom Teilchenbeschleuniger LHC (Large Hadron Collider) in Genf, haben für Mittwoch auf einer Fachkonferenz in Australien zu einem Seminar über das Higgs-Teilchen eingeladen. Der LHC ist nicht nur sechs Kilometer lang wie das Tevatron, sondern 27 – und damit viel leistungsfähiger. Bevor die Kollegen vom LHC womöglich den Ruhm der Entdeckung für sich beanspruchen, weisen die Amerikaner vorsorglich auf ihre Leistungen hin.

Doch was genau zu erwarten ist, bleibt im Ungefähren. Am Tevatron heißt es, man habe nicht endgültig klären können, ob das Higgs-Teilchen existiert, sei der Antwort aber ein gutes Stück nähergekommen. Und Rolf-Dieter Heuer, der Chef des Forschungszentrums Cern, das den LHC betreibt, schreibt in einem Online-Beitrag, dass er selbst nicht wisse, was ihn auf dem Seminar erwarte: Die Daten würden derzeit noch analysiert.

Heuer bietet bloß eine Metapher für die Arbeit: Das Higgs-Teilchen zu finden, sei, als würde man ein bekanntes Gesicht in der Ferne sehen. Man müsse schon näher herankommen, um zu entscheiden, ob es sich um den guten Freund handle – oder doch nur seinen Zwillingsbruder.