Auf ihrer Jahrestagung, die heute in Stuttgart beginnt, stellen vor allem junge Physiker die Neuigkeiten ihres Fachs vor.

Stuttgart - Wer denkt, die Grundlagen der Physik seien seit Jahrzehnten bekannt, dürfte sich wundern. Für die Tagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, die am Montag in Stuttgart beginnt, erwartet der Tagungsleiter Tilman Pfau Neuigkeiten zur Größe des Protons. Vor zwei Jahren meldete ein Team, an dem auch Stuttgarter Physiker beteiligt waren, dass das positiv geladene Teilchen nicht 1,75, sondern nur 1,68 Femtometer groß sei. Auch wenn der Unterschied klein ist – ein Femtometer ist der millionste Teil eines Nanometers – hat diese Messung in der Fachwelt Stirnrunzeln hervorgerufen.

 

Zwei junge Physiker werden auf der Tagung für diese präzisen Messungen geehrt. Überhaupt gehört die Tagung dem wissenschaftlichen Nachwuchs. Die Mehrheit der rund 2300 erwarteten Teilnehmer schreibe gerade an ihrer Master- oder Doktorarbeit, sagt Tilman Pfau. Die jungen Forscher üben ihre Präsentationstechnik, sehen, wie die Ergebnisse beim Publikum ankommen – und suchen nach interessanten Forschergruppen, bei denen sie sich bewerben könnten. „Und wer einen Mitarbeiter sucht, schaut sich ebenfalls um“, sagt Pfau.

Die meisten Teilnehmer werden ihre Arbeit im Vortrag vorstellen oder – was in der Wissenschaft üblich ist – in knapper Form und mit einigen Schaubildern auf einem Poster. Tilman Pfau kann sich noch gut an seinen ersten Vortrag bei einer solchen Tagung vor rund 20 Jahren erinnern. So geht es auch Wolfgang Sandner, dem Präsidenten der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, der in den 70er Jahren zum ersten Mal auf einer Tagung in Stuttgart vortrug. „Die Frühjahrstagungen sind in den Köpfen der meisten Physiker hierzulande fürs Leben verankert“, sagt er.

Ein Nobelpreisträger spricht auf einfachem Niveau

Sorgen macht sich Wolfgang Sandner über die Schulausbildung: „Der Stellenwert der Physik wird im Schulunterricht nicht gebührend gewürdigt.“ Er sieht zu wenige qualifizierte Lehrer. Zwar würden gut ausgebildete Physiker als Seiteneinsteiger in den Schuldienst übernommen, doch ihnen fehle oft das pädagogische Training.

Vor einem Jahr hatte Wolfgang Sandner indes mit einem anderen Thema zu tun: auf der Frühjahrstagung suchten Journalisten damals nach Experten, die die Vorgänge im Atomkraftwerk Fukushima einordnen können. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft stellte ein Expertenteam zusammen, das den Präsidenten Sandner täglich auf den neuesten Stand brachte. Es sei nicht immer einfach gewesen, erzählt er heute, weil aus Japan nur spärlich Informationen kamen. Aber mit dem Ergebnis ist er zufrieden: „Rückblickend können wir sagen, dass unsere Aussagen alle richtig waren.“

In diesem Jahr richtet sich ein Abendvortrag an die Öffentlichkeit. Tilman Pfau versichert, dass er selbst für Schüler geeignet sei. Er hat den aus Heidelberg stammenden Nobelpreisträger Wolfgang Ketterle schon mehrfach als Referenten erlebt, da er neun Monate in dessen Team gearbeitet habe. Ketterle wird erläutern, wie sich nahe des absoluten Temperatur-Nullpunkts die Physik der Moleküle und Atome verändert und eine neue Form der Materie entsteht.

Öffentlicher Vortrag: Wolfgang Ketterle trägt vor am Donnerstag, 15. März, um 20 Uhr auf dem Campus der Universität Stuttgart in Vaihingen, Pfaffenwaldring 53, Hörsaal 53.01. Der Eintritt ist frei.