Vor 75 Jahren ist die legendäre US-Pilotin und Frauenrechtlerin Amelia Earhart über dem Pazifik verschwunden. Nun sind auf einer einsamen Insel rätselhafte Spuren aufgetaucht. Hat sie den Absturz doch überlebt?

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Washington - Löst eine Dose Sommersprossencreme eines der größten Rätsel der Luftfahrtgeschichte? Der Fund einiger Glasscherben auf einem einsamen Atoll im Pazifik hat eine eigentlich geschlossene Akte wieder geöffnet. Anfang Juni 1937, also vor 75 Jahren, brach die amerikanische Luftfahrtlegende Amelia Earhart zu einer Erdumrundung am Äquator auf. Andere hatten schon vorher mit dem Flugzeug den Globus umkreist. Aber die Route der 39-Jährigen war schwieriger und länger. Am Ende des Monats hatte sie Neuguinea erreicht – mehr als 4000 Kilometer für die weiteste Etappe des Fluges über dem Pazifik lagen vor ihr. Doch nachdem sie und ein Begleiter am 2. Juli 1937 mit einer zweimotorigen Lockheed Electra in Richtung der Howard Insel aufgebrochen waren, verlor sich ihre Spur in den Weiten des Ozeans.

 

Die aufgefangenen Signale des Flugzeugs belegen, dass Earhart, die mit der modernen Radionavigation offenbar nicht richtig vertraut war, vor ihrer geplanten Zwischenlandung die Orientierung verlor. „Wir müssen in eurer Nähe sein, können euch aber nicht sehen. Treibstoff ist knapp“, lautete der letzte Funkspruch. Die US-Marine startete die bis dahin größte Suchaktion ihrer Geschichte – vergeblich.

Amelia Earhart war klug, emanzipiert und sehr populär

Haben Amelia Earhart und ihr Navigator Fred Noonan wenigstens für kurze Zeit überlebt? Diese Frage beschäftigt die Amerikaner seit einem Dreivierteljahrhundert. Die selbstbewusste Earhart, die fünf Jahre nach Charles Lindberghs erstem Transatlantikflug im Jahr 1932 als erste Solofliegerin dieses Wagnis bestand, gilt in den USA als Galionsfigur der Frauenemanzipation. Franklin Roosevelt und dessen Ehefrau Eleanor waren mit ihr befreundet. Earhart engagierte sich für die Frauenrechte und war sogar Mitglied der damaligen Nationalen Frauenpartei. Sie heiratete erst, als ihr Ehemann, der zuvor als ihr Promoter gearbeitet hatte, einen Ehevertrag unterschrieb. Sie war auch ein Medienprofi, der sich zu vermarkten wusste: Ihr Name schmückte populäre Flugbücher sowie Kleider- und Kofferkollektionen. Die Pilotin wird von keiner Geringeren als US-Außenministerin Hillary Clinton als Vorbild genannt, das sie zur eigenen Karriere inspirierte. Mehrere Filme, darunter „Amelia“ 2009 mit Hilary Swank und Richard Gere, machten ihr Leben zum Thema.

Earharts ungeklärtes Schicksal rief teils abstruse Theorien hervor. Sie sei als Spionin von den Japanern interniert worden, ist eine davon. Sie habe überlebt und sei unter falschem Namen in den USA untergetaucht, lautet eine andere. Die Frau, der nachgesagt wurde, dass sie die getarnte Amelia Earhart sei, musste sich gegen diese Unterstellung sogar vor Gericht wehren.

Plötzlich tauchen verdächtige Glasscherben auf

Immer wieder tauchten in der Region, in der die Pilotin verschwand, Fundstücke auf, die als Spuren des Absturzes gedeutet wurden. Sie stammten häufig von einem kleinen, unbewohnten Atoll namens Nikumaroro südlich der Flugroute. Hier wurden schon in den Jahren nach dem Absturz menschliche Überreste gefunden, die aber inzwischen verloren gegangen sind.

Doch nun sollen ein paar Glasscherben und die Analyse alter Funkdaten das Rätsel angeblich gelöst haben. Eine private Organisation, die schon für ein halbes Dutzend früherer Expeditionen verantwortlich zeichnete, hat ein paar auf der Insel gefundene Bruchstücke zusammengesetzt und verblüffende Ähnlichkeiten mit dem Glas eines Kosmetikproduktes festgestellt, das in den dreißiger Jahren populär war. Earhart hatte Sommersprossen, die sie hasste. Dr. Berrys Sommersprossenbalsam, dessen charakteristisches Gläschen zu den Scherben passt, wäre ein gutes Mittel dagegen gewesen. Auch eine neue Analyse der letzten aufgefangenen Funkdaten erlaubte angeblich eine Positionsbestimmung, die mit einem möglichen Notlandeplatz Nikumaroro übereinstimmt.

Amelia Earhart war auch Hillary Clintons Heldin

Die US-Außenministerin Clinton, welche die Suche eifrig verfolgt, stellte vor einigen Wochen höchstpersönlich auf einer Pressekonferenz eine neue Expedition vor, die im Juli auf die Insel aufbrechen wird. Doch schon früher sei das Suchteam mit Knochen, Stücken eines Schuhs und einer Schachtel zurückgekommen, von denen die Finder sicher gewesen seien, dass all dies einst Earhart gehört habe, sagt Earharts Biografin Susan Butler: „Nichts davon hat sich bestätigt. Und jetzt will man ,Earharts‘ Behälter für Dr. Berrys Sommersprossenbalsam gefunden haben? Hat sie je ein solches Kosmetikmittel benutzt? Nicht dass ich wüsste.“

Die hartnäckigen Suchaktionen sind längst selbst Teil der Legende geworden. Tom Crouch, der leitende Kurator des Museums für Luft- und Raumfahrt in Washington, glaubt, dass die Erinnerung an Amelia Earhart so lange wach bleiben wird, wie ihr Schicksal ein Rätsel ist: „Das Mysterium gehört doch dazu, um unser Interesse wachzuhalten“, sagt er. „Wir erinnern uns an sie doch teilweise auch deshalb, weil sie unsere liebste verschollene Person ist.”