„Hugo Cabret“ hat einen Oscar bekommen. Verantwortlich für die visuellen Effekte des Films ist die Firma Pixomondo. Ein Besuch bei der Stuttgarter Dependance.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Um kurz vor 4 Uhr morgens hat das Warten und Hoffen ein Ende. Mit Hotdogs, Bier und Cola haben sie sich bei Laune gehalten, dann können sie endlich jubeln. Per Livestream verfolgen mehr als 30 Mitarbeiter von Pixomondo in der Nacht auf Montag die Oscarverleihung am Stuttgarter Standort in der Ostendstraße. Alle reißen die Arme hoch, als Scorseses „Hugo Cabret“ den Oscar für die besten Visuellen Effekte absahnt. Bis um 6 Uhr morgens hätten sie „den goldenen Mann“ gefeiert, erzählt der Mitarbeiter Philip Lücke. Der 31-Jährige sitzt vor seinem Rechner. Tage sind seit der durchzechten Oscarnacht vergangen. Wie der Rest des Teams steckt Lücke mitten im nächsten Projekt.

 

Der Alltag hat alle wieder. Vor den Bildschirmen in dem alten Fabrikgebäude des Kübler-Areals wird fieberhaft gearbeitet. Auf einem Schreibtisch liegen lauter leere Coladosen neben dem Bildschirm. Bei Klaus Wuchta steht ein Vorrat an 5-Minuten-Terrine-Bechern. „Es wird gerade abends meistens länger“, sagt der Lead Compositer und lächelt – es scheint ihn nicht zu stören. „Die brennen hier alle für das, was sie tun“, sagt der Produktionsleiter von Pixomondo, Boris T. Duepré.

Wöchentlich muss geliefert werden

Die visuellen Effekte für Martin Scorseses Hugo Cabret hat Pixomondo Anfang November abgeschlossen, jetzt drängt in zwei Tagen wieder eine Abgabe: die Erfolgsserie eines US-Bezahlsenders, „Game of Thrones“, setzt für die zweite Staffel auf die deutsche Firma bei den visuellen Effekten. Von Stuttgart aus werden die Arbeiten nicht nur koordiniert, sondern zum überwiegenden Teil ausgeführt. Wöchentlich muss geliefert werden. Die Meister der Illusionen arbeiten deshalb auf Hochtouren.

In dem Großraumbüro sind fast alle Plätze besetzt. 37 Festangestellte hat Pixomondo in Stuttgart, hinzu kommen mehr als 20 freie Mitarbeiter. An den schlichten weißen Schreibtischplatten auf Metallböcken sitzen junge Männer und Frauen, die meisten zwischen 25 und 35 Jahre alt, den Blick auf die Bildschirme vor sich gerichtet. Mal sind dort geometrische Linien zu sehen, mal Berechnungen, mal Bilderwelten.

„Zu viele Details sind nicht lesbar für den Zuschauer“

Sven Sauer zum Beispiel fährt gerade mit einem digitalen Pinsel über ein Grafiktablet, das mit seinem Bildschirm verbunden ist. Dort ist, je nachdem, welche Ansicht er anklickt, nur ein Torbogen vom Originalset der Serie zu sehen oder eine Spukstadt. Letztere ist virtuell entstanden. Sven Sauer ist Matte Painter bei Pixomondo. Er erweitert die begrenzte Kulissenwelt aus dem Studio per „Pinsel“. Malt Nebel, Silhouetten, Berge im Hintergrund – und zeichnet Hintergründe weich. „Zu viele Details sind nicht lesbar für den Zuschauer“, erklärt der 32-Jährige, der auch bei „Hugo Cabret“ mitgewirkt hat.

Sven Sauer sitzt wie alle Matte Painter in einem abgetrennten Zimmer – der Großteil des Teams verteilt sich aber auf den Hauptraum. Links von schwarzen Trennwänden sitzen die Mitarbeiter, die sich um 3-D-Effekte kümmern, rechts die Composition-Abteilung, zu der Klaus Wuchta und Philip Lücke gehören. „Wir sind in der Filmschaffungskette am Ende“, erklärt Philip Lücke. Sie würden alle Elemente – vom Drehmaterial bis zu den Effekten, zu einem glaubhaften Bild zusammenfügen. Der gebürtige Berliner hat ebenfalls an Hugo Cabret mitgearbeitet, allerdings im Londoner Büro. Dort hat ihm die Startszene, die den Anflug auf den Bahnhof zeigt, Nerven gekostet: „Das war zeitlich eine knappe Geschichte“, sagt er.

„15 bis 20 Prozent der Show kommen aus Stuttgart“

Nicht die Stuttgarter, sondern die Dependence in Los Angeles hatte bei Hugo die Federführung. Solche Zuständigkeiten wechseln innerhalb des Pixomondo-Netzwerks von Projekt zu Projekt. Aber in Stuttgart wurde ein wichtiger Teil der mit dem Oscar gewürdigten Arbeiten erledigt – unter anderem die Totalen von Paris. „15 bis 20 Prozent der Show kommen aus Stuttgart“, erklärt der hiesige Geschäftsführer Heiko Burkardsmaier. Der 40-jährige Jurist ist ein lockerer Typ, trägt Jeans, Sweatshirt, Dreitagebart. Burkardsmaier duzt seine Mitarbeiter, und sie duzen ihn. Bei der nächtlichen Oscarfeier war er aber nicht dabei, sondern zu Hause bei der Familie. Früh genug informiert war er trotzdem. Als er montagmorgens um 6 Uhr aufwachte, waren lauter Glückwunschnachrichten auf dem Handy.

Den Original-Oscar würden sie hier alle gerne mal in den Händen halten. Vielleicht erhalten sie ein Duplikat. Das ist aber noch unklar. Immerhin haben sie zwei Fotos von ihrer Trophäe aufgehängt – ausgedruckt auf schlichtem DIN-A4-Papier hängen sie an einer der schwarzen Trennwände. Die Zettel sind leicht zu übersehen. Trotz des Oscars und dem brummenden Geschäft – abgehoben sind sie bei Pixomondo nicht.