Künftig soll der Handel für Plastiktüten Geld verlangen. Umweltministerin Barbara Hendricks unterzeichnet die Selbstverpflichtung an diesem Dienstag. Wohin also mit den Einkäufen? Wir geben Tipps.

Berlin - In Umfragen sagen 85 Prozent der Deutschen: Eine Abgabe von 20 Cent auf Plastiktüten finde ich gut. Trotzdem rechnet Melanie Jaeger-Erben, Umweltpsychologin und Umweltsoziologin von der Universität Magdeburg mit verärgerten Kunden, wenn – wie von Politik und Handel beschlossen – Plastiktüten von 1. Juli an in immer mehr Geschäften Geld kosten werden. „Man hat sich daran gewöhnt, dass man eine Tüte bekommt. Plötzlich steht man mit dem Einkauf da, hat keine eigene Tasche dabei und das ist einfach unpraktisch.“ Genau dieser Ärger ist auch nötig – denn dadurch werden die Menschen in ihrer Routine gestört. „Und das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sie ihr Verhalten überhaupt verändern können“, sagt Sebastian Bamberg, Umweltpsychologe von der Fachhochschule Bielefeld.

 

95 Prozent unseres Alltags laufen nach jahrelang einstudierten Gewohnheiten ab. Eine bestimmte Situation – wie der Einkauf in der Apotheke – löst ein bestimmtes Verhalten aus: Sich das Medikament einpacken zu lassen. Das passiert im automatischen System des Gehirns, ohne dass wir darüber nachdenken. „Wird für diese Tüte plötzlich Geld verlangt, greifen wir nicht mehr automatisch zu. Unser Einkaufsverhalten wird in Frage gestellt und wir müssen überlegen, wie wir damit umgehen wollen“, sagt Bamberg. Der Mensch steht vor einem Problem, um es zu lösen, muss er das bewusste System des Gehirns einschalten. Der Betrag von 20 Cent für die Plastiktüte kann dabei nur ein kleiner Auslöser sein. „Er wird nicht reichen, um tatsächlich auf die Plastiktüte zu verzichten.“

Dieser Meinung ist auch Melanie Jaeger-Erben. Sie findet es aber gut, dass der Betrag so gering ist. „Wäre er von Anfang an bei 50 Cent oder mehr, würde das viele Menschen verärgern und sie hätten sofort eine ablehnende Haltung gegenüber dem Thema.“Dabei braucht es die Akzeptanz, damit der Verzicht funktioniert. „Ohne eigene Motivation ändern wir unser Verhalten nicht freiwillig“, sagt Bamberg.

Um diese Motivation zu finden, schlägt er Folgendes vor: Man schreibt auf, aus welchen Gründen man auf die Plastiktüte verzichten will. Als nächstes wird notiert, woran dieser Verzicht scheitern könnte – etwa daran, dass man vergisst, eine Tasche mitzunehmen. „Dann sagen Sie sich dreimal laut vor, dass sie künftig immer den Stoffbeutel mit zum Einkaufen nehmen und dass dieser griffbereit neben der Haustüre liegt.“ Jedes Mal, wenn man künftig das Haus verlässt und an der Tür den Stoffbeutel sieht, passiert im Gehirn folgendes: der Reiz (Stoffbeutel) löst ein neues Verhalten aus (Beutel mitnehmen), eine neue mentale Verbindung ist geschaffen. „Mit jedem Einkauf wird das neue Verhalten so mehr zur Gewohnheit, nach 30-mal denken Sie gar nicht mehr darüber nach.“

Mit dieser Methode schafft man es auch, immer den gleichen Beutel mitzunehmen. „Wer zwar auf die Plastiktüte verzichtet, stattdessen aber ständig neue Stoffbeutel kauft, die sich dann zu Hause sammeln, belastet die Umwelt sogar noch mehr“, sagt Melanie Jaeger-Erben. Denn um einen Stoffbeutel herzustellen, braucht es deutlich mehr Energie und Wasser als für eine Plastiktüte. Weshalb man solche Mehrweg-Alternativen auch mehrere Male nutzen muss, will man der Umwelt helfen. Viele Umweltorganisationen kritisieren ohnehin, dass der Verzicht auf die klassische Plastiktüte nicht weit genug geht. So bleiben die Hemdchenbeutel für Obst und Gemüse gratis. „Für den Verbraucher ist das schwer zu vermitteln, schließlich belastet auch dieses Plastik die Umwelt“, sagt Jaeger-Erben. Bis es auch hier zu einer Bezahlpflicht kommt oder der Handel Mehrweg-Alternativen zur Verfügung stellt, rät sie dazu, in den Einkaufskorb weitere Taschen und Gefäße zu packen: etwa für Brot und Wurst. Wie man lernt, daran zu denken, wissen die Verbraucher ja jetzt.