Die Schads aus Plieningen waren einst führende Mützenproduzenten in der Region. Ein Ausflug in die Vergangenheit.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Plieningen - Mit Mützen hat Tilo Schad – was ihn persönlich betrifft – nichts am Hut. „Ich brauche das nicht, ich habe sehr dicke Haare.“ Die wärmen sein Haupt. Das sagt ein Mann, in dessen Schränken fast hundert verschiedener Kappen lagern. Für den Plieninger sind die Kopfbedeckungen dennoch keine Accessoires zum Aufziehen, sie sind Erbstücke. Die Vorfahren des 52-jährigen Plieningers waren einst bedeutende Mützenhersteller für die gesamte Region. Am Schluss haben in der Werkstatt fast zehn Leute gearbeitet.

 

Tilo Schad hatte schon immer etwas übrig für Relikte aus der Vergangenheit. Sein Keller an der Filderhauptstraße ist ein Heimatmuseum. Von Schafschuhen für verletzte Hufe über alte Kaffeemühlen bis hin zu einem Blechschild von Schölls Sauerkrautfabrik – der Besuch in Schads Untergeschoss gleicht einer Reise ins Damals.

In einem der Kellerräume hortet der Plieninger die Überbleibsel der Schadschen Mützendynastie. Mittendrin steht der Arbeitstisch, an dem seine Ahnen die Kappen zugeschnitten haben. Tilo Schad klappt das alte Kassenbuch auf, in dem sein Urgroßvater Johannes anno dazumal Bestellungen und Preise in schnörkeliger Schönschrift notiert hatte. So haben im Jahr 1921 zwei Mützen beispielsweise fünf Mark gekostet. „Betrag dankend erhalten“, ist dahinter vermerkt.

Eine Mütze für mehrere tausend Mark

Zwei Jahre später, also 1923, hat eine Mütze für den Käufer mit mehreren tausend Mark zu Buche geschlagen. „Das sind Zahlen, da wackelst du mit den Augen“, sagt Tilo Schad. Die Inflation machte freilich auch vor der Plieninger Kappenfabrikation nicht halt.

Im Jahr 1897 haben Johannes und Rosine Schad die Mützenmanufaktur in dem Bauernflecken Plieningen gegründet. Sowohl sein Sohn als auch sein Enkel haben die Geschäfte weitergeführt. Dass Tilo Schad ein Gärtnermeister statt Mützenhersteller geworden ist, hatte vor allem einen Grund: Sein Vater Hubert ist 1977 überraschend gestorben, da war er selbst noch ein Schuljunge. Seine Mutter musste den Laden an der Filderhauptstraße von heute auf morgen schließen, die Werkstatt folgte mangels Meister im Jahr darauf.

Geblieben ist Tilo Schad die Erinnerung. Wie er zum Beispiel als Bub die bestellten Kappen samt Rechnung in Papiertüten verpackt frei Haus geliefert hat. Wenn er will, dass diese Bilder wieder aufleben, muss er nur runter in den Keller zu seinen Relikten. Dazu gehören breit klingige Scheren, die aussehen wie von einem Karikaturisten gezeichnet, Schneiderkreiden, Kreidespitzer, Minimützen als Nadelkissen und Formen, die Holzköpfen ähneln. Letztere hat Tilo Schad fein säuberlich in ein Regal gereiht. Während er davor steht, berichtet er, wofür seine Vorfahren diese Holzformen benötigten.

Die Holzformen dienten als schnelle Bügelhilfe

Nachdem die Einzelteile zurechtgeschnitten und an der Maschine zusammengenäht waren, sind sie für ein paar wenige Sekunden im Wasserdampf erhitzt worden. Danach hat der Mützenmeister die Kappe auf eine der Formen gestülpt. „Die waren dann wie gebügelt“, erklärt Tilo Schad. Jedes Exemplar von Hand zu glätten, wäre viel zu aufwendig und damit zu teuer geworden – bei etwa 500 Stück am Tag. Das Bügeleisen kam nur bei feinen Kappen zum Einsatz. Also bei denen für Studenten oder Sonntage.

Der Durchmesser der hölzernen Formen variiert von 53 bis 64 Zentimeter – wie auch die Größe der Menschenköpfe. Abgesehen davon, fertigten die Schads Mützen unterschiedlichen Typs an. Auf Bestellung gab es die runde Arbeitsmütze mit Schirm für den Gipser oder für den Müllmann. Eine Alternative war die Bergform, eine eher länglich geschnittene Kappe. „Da hat jeder so sein Ding gehabt“, sagt Tilo Schad.

Kappen gehörten ehedem die Standardausrüstung

Mützen und Kappen gehörten früher zur Standardausrüstung eines Mannes. Das bestätigen all die historischen Fotos, die Tilo Schad in seine Alben geklebt hat. „Von den Kindern bis zum Greis hat damals ja jeder etwas aufgehabt“, sagt er. Nicht nur, dass die Kopfbedeckung ehedem dazu gehörte, dank ihr musste der Träger auch seltener Haare waschen.

Es war übrigens üblich, dass sich die Mützenbesteller von den Schads ihre Initialen einnähen ließen. So haben sie ihre Kappe nach dem Besuch in der Wirtschaft rasch wiedergefunden. Während die Männer nämlich zechten, wartete ihre Mütze auf der Ablage – neben denen aller anderen.

Als Junge ging Tilo Schad selten ohne eine Kappe aus dem Haus. Heute, als Erwachsener, bleibt er lieber oben ohne. Und wenn ihm dann doch mal nach Mützen ist, muss er ja nur die Treppe runtergehen in seinen Museumskeller.