Was läuft schief in der Stuttgarter Stadtplanung? Fünf Architekten haben auf Einladung von StZ und Stiftung Geißstraße darüber diskutiert.
Stuttgart - Hätte Tobias Wallisser, der Architekt und Projektleiter des Mercedes-Benz-Museums, nicht krankheitshalber absagen müssen, wäre die Diskussion vielleicht noch interessanter geworden. Doch auch so hatten die fünf Architekten auf dem Podium im Stuttgarter Rotebühlzentrum genug zu sagen. Am Anfang fünf Minuten Redezeit für jeden, und die erste Dreiviertelstunde war rum. "Warum geht Stadtplanung in Stuttgart so oft schief?", lautete die Frage einer von der Stuttgarter Zeitung und der Stiftung Geißstraße gemeinsam veranstalteten und von der StZ-Redakteurin Amber Sayah sowie dem Stiftungsvorsitzenden Michael Kienzle moderierten Podiumsdiskussion. Der Abend war aus der "Stuttgartnacht" im vergangenen Herbst hervorgegangen, als die Beteiligten auf Einladung von StZ und Stiftung Geißstraße zur "Nacht der Baumeister" zusammengekommen waren. Der kleine Saal in der Geißstraße lief bald über, und so war es eine weise Entscheidung, die Veranstaltung diesmal in den Treffpunkt Rotebühlplatz zu verlegen. Aber auch der Robert-Bosch-Saal war zum Platzen voll.
Mit drei Fragen brachte Jörg Aldinger viele Aspekte klar auf den Punkt: Wollen wir die Monokultur einer Planung in ganzen Baublöcken oder die differenzierte Kulturlandschaft einzelner, kleinerer Parzellen? In der Parzelle, so Aldinger, liege der Ursprung der Qualität der europäischen Stadt, die Jahr für Jahr Millionen Touristen anziehe. Ob aus gleichartigen Nutzungen und Regulierungen eine sterile Stadt entstehe, sei auch eine Frage der Haltung. Aldinger hält dagegen: "Wir brauchen mehr Heterogenität." Schließlich fragte er nach der "Corporate Identity" Stuttgarts: Sind wir Bildungsstadt, Wissensstadt, Industrie- oder grüne Stadt, weltoffen oder Provinz? Statt einer Überbetonung der Mobilität möchte er lieber mehr Aufenthaltsqualitäten.
Stuttgart nutzt zu wenig Potenziale
Stefan Behnisch erinnerte an die "Klamotte mit dem Trumptower", um dann festzustellen: "Stuttgart macht die Fehler anderer immer mit einigen Jahren Verzögerung." Durch das "Jammertal der Shoppingmalls in der Innenstadt" seien Leipzig, Potsdam oder Dresden längst durch, amerikanische Städte gar schon seit den siebziger Jahren. Behnisch betonte die Notwendigkeit von langfristigen, kontinuierlich verfolgten Planungszielen, die er mit gelungenen Beispielen von Barcelona bis Boston illustrierte. In der US-Metropole etwa ist es mit Milliardenaufwand gelungen, überdimensionierte, aufgeständerte Stadtautobahnen zurückzubauen und den Verkehr wieder auf "normalen" Straßen fließen zu lassen. Ein Vorbild für die Stuttgarter Verkehrsschneisen Konrad-Adenauer- und Theodor-Heuss-Straße.
Stuttgart nutzt zu wenig seine stadträumlichen Potenziale, meinte Uwe Brückner, der weltweit Ausstellungen gestaltet. Er erwähnte die Mineralbäder und das Neckarufer und meinte mit Blick auf den Killesberg, in der Stadt sei schon "einiges ruiniert". Ob sein Wunsch nach "Visionen", vorgetragen mit einer musikuntermalten Präsentation, bei der von großen Plänen aufgeschreckten Bürgerschaft immer Beifall gefunden hätte, steht auf einem anderen Blatt. Der Stadtplaner Franz Pesch ging die Sache von Grund auf an, das heißt historisch. Wie eine Stadt aussieht, sei immer eine Folge politischer und wirtschaftlicher Kämpfe. Planungsprozesse müssten jedoch mehr als ein Monopoly-Spiel sein, bei dem die besten Grundstücke dem finanzstärksten Investor zufielen, so Pesch. Er würde sich wünschen, "der Oberbürgermeister oder der Baubürgermeister würden zu einem Investor auch mal sagen: das kannst du in dieser Stadt nicht bringen".