Am Donnerstagmorgen hat die Polizei bei der Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen Stärke demonstriert – anders als noch in der Nacht zu Montag. Die Polizeigewerkschaften rechtfertigen die Reaktion der Einsatzkräfte in beiden Fällen – obwohl etwas schief lief.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Polizeigewerkschaften verteidigen das Verhalten der Einsatzkräfte in der Ellwanger Landeserstaufnahmeeinrichtung. „In diesem Fall scheint es so zu sein, dass wir in Ellwangen ein richtig großes Gewaltpotenzial vorfinden“, sagte der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Ralf Kusterer, unserer Zeitung. „Da haben wir eine neue Dimension.“

 

Demzufolge rechtfertigt Kusterer den Rückzug bei der missglückten Festnahme eines 23-jährigen Togolesen in der Nacht zu Montag. „Die Kollegen haben sehr besonnen reagiert. Es war richtig in der Bedrohungslage, den Einsatz abzubrechen.“ Vier Beamte waren in zwei Streifenwagen angerückt, um den Westafrikaner abzuholen – und mussten sich gegen mehr als 150 aufgebrachte Afrikaner wehren.

Nach Informationen unserer Zeitung war in der Nacht allerdings auch keine ausreichende Verstärkung zu bekommen. Entsprechende Anfragen blieben erfolglos. Das Polizeipräsidium Aalen verfügt lediglich über eine kleine Dienstgruppe von wenigen Streifen, und Ellwangen ist für Streifenwagen aus der nächsten Großstadt nicht in sehr kurzer Zeit zu erreichen. Auch die in Göppingen stationierte Bereitschaftspolizei hätte demzufolge mindestens drei Stunden gebraucht, um ihre Kräfte loszuschicken. Denn die zu Hause schlafenden Frauen und Männer müssen nach der Alarmierung zunächst auf die Dienststelle, um sich dort anzukleiden sowie auszurüsten. So war keine sinnvolle Verstärkung möglich.

Walpurgisnacht hat viele Kräfte gebunden

Dass der große Zugriff erst am Donnerstagmorgen erfolgte, hängt auch mit der Walpurgisnacht zusammen. Für den 30. April gab es eine massive Einsatzplanung im ganzen Land, wie Kusterer bestätigt. „Am Montag oder am Tag drauf etwas zu starten, wäre aus meiner Sicht nicht möglich gewesen, weil wir dazu keine Kräfte hatten.“ Zudem bräuchte es für einen Einsatz mit mehr als 600 Leuten inklusive Notarzt und Rettungskräften eine gewisse Vorbereitungszeit. Somit zollt der DPolG-Landesvorsitzende dem Polizeipräsidium Aalen und dem Einsatzleiter Peter Hönle seinen Respekt: „Da kann man nur den Hut ziehen, wie die das auf die Beine gestellt haben.“

Ähnlich sieht es die konkurrierende Gewerkschaft der Polizei (GdP): „Gerade in für Beamte gefährlichen Situationen ist Augenmaß gefragt“, wirbt GdP-Bundeschef Oliver Malchow für Verhältnismäßigkeit und Eigensicherung. Es sei professionell gewesen, die Situation im Flüchtlingsheim zunächst ausführlich zu bewerten und den Einsatz daran auszurichten.

Grenzschutz und Justiz auch in der Pflicht

Kusterer setzt sich wie DPolG-Bundesvorsitzender Rainer Wendt für ein generell härteres Durchgreifen ein. Doch müsse die Strafverfolgung immer auch an der konkreten Lage festgemacht werden, fügt er an. Stets werde in solchen Fällen auch über mehr Personal diskutiert. „Eine schnelle Lösung gibt es nicht.“ Die benötigten neuen Kräfte seien aber in Sicht. Wenn sie zur Verfügung stünden, „können wir unsere Einsatzkonzepte weiterentwickeln“. Dann würde auch eine andere Voraufklärung erfolgen, um die Lage vor Ort besser zu analysieren. Kusterer hält wie Wendt eine Abschiebung von Asylsuchenden für nötig, die in Ellwangen Polizisten angegriffen haben. „Unser Problem ist aber eher, dass zu wenige Zurückweisungen bereits an der Grenze stattfinden“, kritisiert er.

GdP-Chef Malchow nimmt zudem die Justiz in den Blick. „Täter müssen konsequent zur Verantwortung gezogen werden – bei Angriffen auf den Staat darf es nicht heißen, ‚aber das war doch nicht so schlimm‘.“ Fehle diese Konsequenz, die bei ausländischen Tätern bis zur Abschiebung reiche, werde „einer fortschreitenden Aushöhlung des Rechtsstaats bewusst tatenlos zugeschaut“.