Es ist ein alter Streit: Was ist Kultur? Oper und Theater gelten seit Jahrhunderten als Kultur. Pop galt als schmuddelig, niveaulos, Massenware. Seit 20 Jahren kämpft das Pop Büro für einen angemessenen Platz für populäre Musik in der Stadt.

Der Geburtshelfer war 450 Seiten dick. Entstanden aus einem Akt der Bürokratie. Das Land hatte geschaut, wie es aussieht mit der Förderung der Pop-Kultur. Was gibt es? Was wäre nötig? Schon das war bahnbrechend. Pop galt lange nicht als Kultur. Die Musikpädagogin Gotho von Irmer warnte 1968 vor dem Hang junger Menschen zur „Beatmusik“. Diese verändere den Herzschlag und könne zum „plötzlichen Musiktod“ führen, es drohe ein Massensterben. In Stuttgart warnten Kritiker 1976 vor einem Auftritt der Rolling Stones vor „der Zweckentfremdung des Neckarstadions“. Das wirkt nach bis heute: Mit Steuergeld fördern Stadt und Land wie selbstverständlich Theater, Oper, Ballett, Museen und klassische Musik. Für populäre Musik und Kultur blieben Brosamen.

 

Was ist das Popbüro?

Doch es ändert sich – allmählich. Nicht zuletzt dank des Popbüros, dass 2003 aus der Taufe gehoben wurde. Um Jugend-, Kultur und Wirtschaftsförderung zusammenzuführen. Träger sind die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH, die Stuttgarter Jugendhausgesellschaft und das Kulturamt. Vorbild war die Film Commission. „Das Popbüro ist das Dach, unter dem sich alles sammeln kann“, hatte Mini Schulz damals gesagt. Schulz war gemeinsam mit Paul Woog der erste Leiter des Pop-Büros Region Stuttgart. Woog definierte die Aufgabe wie folgt: „Es geht darum, Kontakte herzustellen, zu vernetzen, Strategien zu entwickeln, behördliche Hemmnisse zu beheben.“

Feiern ist wichtig

2004 zog das Popbüro in die Reiterkaserne auf dem Hallschlag. Dort führt Walter Ercolino jetzt die Geschäfte, er übernahm 2018 von Peter James. Und hatte alsbald mit den Folgen von Corona zu kämpfen. Eine harte Zeit. Aber „es hat gezeigt, dass das Nachtleben, dass Kultur relevant für die Gesellschaft ist“. Schon seit längerem hätten sich Türen geöffnet. Was aber nicht nur mit der Liebe zur Popmusik zu tun hat, seit der Ökonom Richard Florida seine These von der „kreativen Klasse“ aufgestellt hat, welche die Städte gewinnen müssten, um eine Zukunft zu haben, ist Kultur jeglicher Art ein Standortfaktor. Oder um es simpler zu sagen, man zieht nicht nur nach Stuttgart, um zu arbeiten, man will auch feiern, tanzen, auf Konzerte gehen können.

Die Stadt ohne Sound

Nicht zuletzt deshalb gibt es das Popbüro, und zwei Nachtmanager. Doch auch sie tun sich schwer zu verhindern, dass die Stadt ihren „Sound“ verliert. Clubs, die Nischen bieten für Konzerte, Lesungen, Performances wie Röhre, Rocker 33, Zwölfzehn,Schocken, Zollamt, Keller Klub sind verschwunden. Aus verschiedenen Gründen bieten sie alle keine Bühne mehr: S 21, Eigentümerwechsel,Kündigung, Abriss. Das ist keine Stuttgarter Spezialität. Überall sind Clubs und Livebühnen unter Druck durch steigende Mieten,Aufwertung der Innenstädte, Beschwerden wegen Lärms. Auch in Hamburg sterben Clubs. Um gegenzusteuern, fördert die Hansestadt mit 500 000 Euro Livemusik, knapp 700 000 Euro investierte sie in die Sanierung eines Bühnenschiffs und des Golden Pudel Clubs. 550 000 Euro gab es für Lärmschutzmaßnahmen.

Wie viel Geld gibt es?

Zum Vergleich, das Pop Büro wird jährlich mit 563 200 Euro gefördert, zusätzlich gibt es Geld für spezielle Projekte. „Die Infrastruktur ist ein großes Problem“, sagt Ercolino. Sie versuchen zu helfen. Einmal dadurch, dass man mit einer Studie über den Wert des Nachtlebens einen Überbau schafft, zeigt, dass ist nicht nur Spielerei und Liebhaberei, da handelt es sich um einen handfesten ökonomischer Wert. Mal ganz abgesehen von der „Außenwirkung“, der Bedeutung und der Anziehungskraft der Stadt in die Region und ins Land hinein. Und dann mit versuchen, neue Orte zu erschließen. Wie dies mit der kleinen Abendmusik für den kleinen Schlossplatz gelungen ist. Den Bergkonzerten etwa an der Esslinger Burg und an der Grabkapelle. Oder den Bahnhofskonzerten im Oktober in der Region. Und dem Überzeugen der Stadträte, dass eine Förderung von Clubkonzerten Not tue. Formate wie der „Dürnitz Night Call“ im Alten Schloss bringen Hochkultur und Popkultur zusammen. „Es ist viel möglich“, sagt Ercolino, „und wir wollen das zeigen.“

Neue Studie des Landes

Das soll wachsen. Hegen und Pflegen will man die Popmusik in der Region. Ein Stipendium, Proberäume suchen und vermitteln, vernetzen, unterstützen, die Aufgaben gehen nicht aus. Mit dem Branchentreffen About Pop tragen sie dies nach außen, Konzerte, Diskussionen, Politik, Lobbyarbeit, man zeigt sich, wenn man so will ist dies auch eine Leistungsschau. Man ist Teil der Kultur dieser Stadt, und fordert dies auch selbstbewusst ein. Nächstes Jahr soll die About Pop an mehreren Orten in der Stadt stattfinden. Dabei will man auch die Ergebnisse einer Studie präsentieren. Das Land will die Popförderung neu aufstellen. Da schließt sich ein Kreis. Doch ein Popbüro braucht man nicht mehr gründen, das gibt es schon.

Popbüro

Das Jubiläum
Die Geburtstagsparty ist am Donnerstag, 19. Oktober, im Studio Amore. Um 17.30 Uhr ist der Empfang für geladene Gäste. Um 20 Uhr beginnt der öffentliche Teil. Um 20.30 Uhr bewegt sich Musikjournalist Linus Volkmann in seiner Lesung durch die Welt deutscher Jugendmagazine. Um 21 Uhr gibt es DJ-Sets von Dexter, Ameli Paul und Shori.