Die Staatsanwaltschaft hat im Kreditbetrugs-Prozess eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr auf Bewährung für den früheren Finanzvorstand Holger Härter gefordert – und bleibt damit im unteren Bereich des möglichen Strafrahmens.

Stuttgart - Die Staatsanwaltschaft Stuttgart fordert im Prozess gegen den früheren Porsche-Finanzchef Holger Härter eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr auf Bewährung. Zudem soll er mindestens eine Million Euro zahlen. Ein mitangeklagter ehemaliger enger Mitarbeiter von Härter soll eine Geldstrafe von 225 000 Euro erhalten. Mit diesen Forderungen blieb Oberstaatsanwalt Hans Richter im unteren Bereich des möglichen Strafrahmens, den der Gesetzgeber für Kreditbetrug vorsieht. Danach sind bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe möglich.

 

Härter und sein ehemaliger Mitarbeiter stehen vor dem Stuttgarter Landgericht, weil sie vor vier Jahren in der heißen Phase des Kampfs um die Übernahme von VW durch Porsche in Kreditverhandlungen mit der französischen Großbank BNP Paribas falsche Angaben gemacht haben sollen. Damals verhandelten die Stuttgarter mit einem Konsortium von Banken über einen Kredit in Höhe von 12,5 Milliarden Euro, der dringend benötigt wurde, weil ein Darlehen in Höhe von zehn Milliarden Euro im März auslief. Die französische Großbank war bereits beim alten Kredit engagiert und wollte sich mit 500 Millionen Euro am neuen Darlehen beteiligen. In den Verhandlungen mit Porsche forderte die Bank allerdings zusätzliche Informationen über die komplexen Optionsgeschäfte auf VW-Aktien, mit deren Hilfe Porsche zusätzliche Anteile von VW übernehmen wollte.

Die Staatsanwaltschaft wirft Härter und seinem Mitarbeiter vor, dass sie den Netto-Liquiditätsbedarf für die Ausübung dieser Kaufoptionen auf VW-Stammaktien mit 4,1 Milliarden Euro bewusst um 1,4 Milliarden Euro zu niedrig angegeben hätten, um möglichst rasch an das Darlehen zu kommen. Zudem hätten sie in einem Schreiben an die Bank verschwiegen, dass sie auch 45 Millionen Verkaufsoptionen auf VW-Aktien verkauft hatten.

Verteidigung wirft Staatsanwaltschaft falsche Übersetzung vor

In dem bereits seit dem 5. September des vergangenen Jahres laufenden Prozess hat die Verteidigung der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, dass sie englische Fachbegriffe falsch übersetzt habe und falsche Berechnungen angestellt habe. Zudem hatte die Pariser Zentrale der Bank nach Darstellung der Verteidigung bereits grünes Licht für den Kredit gegeben, bevor das umstrittene Schreiben mit den zusätzlich von der Frankfurter Filiale der französischen Bank angeforderten Informationen über die Optionsgeschäfte erstellt und per E-Mail verschickt wurde.

Staatsanwaltschaft Johannes Gerds wies all dies am Dienstag nochmals zurück. Er zitierte Aussagen von Mitarbeitern von BNP Paribas, die in dem Prozess bestätigt hätten, dass das umstrittene Schreiben nach dem Verständnis der französischen Bank Informationen über den zukünftigen Liquiditätsbedarf bei der Ausübung der Kaufoptionen auf VW-Aktien liefern sollte. Zudem bekräftigte der Staatsanwalt, dass der Kreditvertrag erst mit der Unterschrift zustande gekommen sei und nicht bereits zu dem Zeitpunkt, als die Pariser Zentrale grünes Licht gegeben habe. Oberstaatsanwalt Richter hob hervor, dass es bei den Strafen für Kreditbetrug nicht um die Höhe des tatsächlich entstandenen Schadens gehe. Vielmehr gehe es um den Schutz des Vertrauens in die Funktionsfähigkeit des Kreditwesens.

Zu Beginn des Verhandlungstages hatte das Gericht am Dienstag einen Antrag der Verteidigung zurückgewiesen, das Verfahren einzustellen. Härters Anwältin Anne Wehnert hatte diesen Antrag damit begründet, dass die Angeklagten nicht mehr mit einem rechtsstaatlich fairen Prozess rechnen könnten. Dabei kritisierte sie Aussagen von Oberstaatsanwalt Richter in einem Interview, die sie als Vorverurteilung und Herabwürdigung ihres Mandanten bezeichnete. Weitere Verhandlungstermine sind bereits bis in den Juli festgesetzt worden. Dann könnte auch das Urteil fallen.