Warum reagiert Porsche bloß so dünnhäutig auf die Attacken eines internen Kritikers? Mehr Gelassenheit würde dem Sportwagenbauer in dem Konflikt gut anstehen, kommentiert StZ-Autor Andreas Müller.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Porsche ist kein x-beliebiger Arbeitgeber. Wer bei dem Sportwagenhersteller arbeitet, ist in der Regel stolz darauf. Die geringe Fluktuation zeugt von einer großen Zufriedenheit, die wiederum mit hoher Loyalität gegenüber dem Unternehmen vergolten wird.

 

Auch Siegmar Herrlinger muss es bei Porsche im Großen und Ganzen gefallen haben, sonst hätte er es wohl kaum vier Jahrzehnte dort ausgehalten. Schon früher aber sprach er intern immer wieder einmal (tatsächliche oder empfundene) Missstände an, und als Bundestagskandidat einer linken Splitterpartei verschärfte er seine Kritik in letzter Zeit wieder. Die Dieselabgasaffäre mit ihren vielen offenen Fragen – nicht vorrangig, aber auch an Porsche – bot ihm dafür Anlass genug.

Gericht pocht auf Meinungsfreiheit

Dass Kollegen, Betriebsrat und Management darüber nicht entzückt waren, kann man verstehen. Schwer verständlich ist hingegen, wie rigoros Porsche gegen den lästigen Kritiker vorgeht. Obwohl ihn nur noch wenige Monate vom Ruhestand trennen, zieht das Unternehmen alle rechtlichen Register, um sich seiner vorher zu entledigen. Doch das scheint gar nicht so einfach. In einem ersten Urteil stellte das Arbeitsgericht klar, dass die Attacken noch unter die Meinungsfreiheit fielen; Porsche müsse sie dulden. Nun geht der Rechtsstreit in die nächste Runde.

Warum so dünnhäutig? Man wird den Eindruck nicht los, dass hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird. Souverän wirkt es jedenfalls nicht, wie sich die Firma von einem gewiss zugespitzt formulierenden Mitarbeiter provozieren lässt. Man könnte ihn reden lassen, ihm zuhören, wo nötig widersprechen und ihn sonst nicht durch übergroße Aufmerksamkeit aufwerten – zumal kurz vor der Rente.

Munition für den Wahlkampf geliefert

Doch mit der Gegenwehr per Freistellung, Hausverbot und Kündigungen tut Porsche genau das Gegenteil. Erst damit lieferte man Herrlinger die Munition, die er für seinen Wahlkampf gut gebrauchen konnte, erst dadurch erhielt er die Gelegenheit, sich ein Stück weit als David im Kampf gegen einen übermächtigen Goliath zu inszenieren. Mag sein, dass Porsche in den Prozessen am Ende doch noch recht bekommt. Doch durch einen gelasseneren Umgang mit dem Kritiker hätte das Unternehmen allemal mehr gewonnen.