Porträt der Woche: Jürgen von Bülow ist Künstler durch und durch. Er schreibt Bücher, ist Regisseur und Dozent. Mit Loriot ist er weniger verwandt, als er es gern wäre.

Degerloch - Nika ist nicht mehr. Das junge Mädchen war lange ein wichtiger Teil im Leben von Jürgen von Bülow. 2010 hat sich der 56-Jährige nach fünf Bänden aber von seiner jugendlichen Romanhauptfigur verabschiedet. Die Bücher hatten sich zu schlecht verkauft. „Die Botschaft wurde oft missverstanden“, sagt der Degerlocher mit den wilden Haaren, der neben Romanen auch Drehbücher schreibt, Theaterstücke inszeniert, die Hohenheimer Uni-Theatergruppe leitet und als Dozent tätig ist.

 

Nika ist ein Mädchen von nebenan, das den Sprung in die Musikwelt schafft. Auf ihrem Weg ist sie stets hin- und hergerissen zwischen ihrem Traum vom Erfolg und dem Wunsch, normal zu sein. „Viele Eltern dachten, ich verherrliche die Branche“, erzählt Jürgen von Bülow. Dabei habe er in Zeiten von Dieter Bohlen, Popstars und Co. davor warnen wollen. Mit der Fernsehwelt kennt er sich aus. Acht Jahre war er für den SWR tätig, schrieb Skripte und Drehbücher für den „Tigerenten Club“ oder Seifenopern wie „Marienhof“ und „GZSZ“.

Sein berühmter Namensvetter ist sein großes Vorbild

Sein großes Vorbild ist sein berühmter Namensvetter Vicco von Bülow alias Loriot. „Ich bewundere es, mit welcher liebenswerten Genauigkeit er die Menschen beobachtet hat, ohne sie vorzuführen“, sagt Jürgen von Bülow über den 2011 verstorbenen Humoristen. Immer wieder springt er beim Erzählen von seinem Stuhl auf, macht große Gesten. Die Worte gehen ihm nie aus, er kommt von Hölzchen auf Stöckchen. Natürlich werde er immer wieder auf den Nachnamen von Bülow angesprochen. „Leider bin ich aber nicht so verwandt mit ihm, wie ich es gerne wäre“, sagt er. Trotzdem hat er Loriot mehrfach persönlich getroffen – bei den Familientagen des mecklenburgischen Adelsgeschlechts mit Hunderten Verwandten.

In Stuttgart sind Jürgen von Bülows Eltern der Liebe wegen gelandet. Der adelige Vater aus Mecklenburg lernte die Mutter in München kennen. Sie war eine Bürgerliche, was seine adelige Familie nicht gerne sah. Er ein Protestant, was ihrer bayerischen und erzkatholischen Familie missfiel. Kurzerhand brannten die beiden nach Stuttgart durch, wie man heute sagen würde.

Gerade weil sie so viel Druck von ihren Familien bekommen hatten, haben die Eltern ihn nie an die kurze Leine genommen, erzählt Jürgen von Bülow. Sie reagierten gelassen, als der Junge nach dem Abschluss am Schickhardt-Gymnasium keine Ausbildung machte, sondern sich blindlings in die Theaterwelt stürzte. Schon als Schüler und Zivildienstleistender arbeitete er als Statist im Staatstheater mit. Später bekam er eine Stelle als Regieassistent. „Man wird von dieser Welt einfach völlig aufgesogen“, sagt Jürgen von Bülow. Ihn begeisterten die Proben immer mehr, als sich eine Aufführung anzusehen. „Der Prozess ist das Spannende, weil man sieht, wie der Regisseur arbeitet“, sagt er.

Existenzsorgen waren der Grund, warum er nie Vater wurde

Nach dem Ausflug in die Fernsehwelt, „um vor allem mal Geld zu verdienen“, wie der 56-Jährige sagt, hat sich Jürgen von Bülow wieder den freien Künsten gewidmet. Er inszenierte hier, schrieb dort ein Drehbuch, erhielt Preise und Stipendien. Seine Arbeit als Dozent in Ludwigsburg und Esslingen ist der Hauptbroterwerb. „Existenzsorgen hat man aber auch nach Jahren in der Branche“, sagt von Bülow. Das war ein Grund, warum er nie Vater geworden ist.

Wenn man als Künstler arbeiten möchte, muss man viele Standbeine haben, ist Jürgen von Bülow überzeugt. Und vor allem auch das Handwerkszeug lernen. „Dass einer einen Furz lässt, der vergoldet wird, passiert selten“, sagt er.

Bis zu zehn Stunden täglich arbeite er deshalb an seinem neuen Roman. „Ich ziehe alle Vorhänge zu“, sagt er und führt es im Schreibzimmer vor. Maximal zehn Gegenstände dürfen auf dem Schreibtisch liegen, „mehr würden ablenken“. Jürgen von Bülow stülpt sich große Kopfhörer über die Ohren. So begibt er sich tief in den Roman, erklärt er. Die Natur spielt darin eine große Rolle. „Ich bin dann draußen im Kopf“, sagt Jürgen von Bülow und fährt sich durchs zerzauste Haar. Man glaubt es ihm.