Martin Schwab ist ein jung gebliebener Veteran der Bühne. Aus dem Hohenloher Pfarrhaus hat er es an die Wiener Burg geschafft. Eine Begegnung.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Wien - In einer Dreiviertelstunde wird Martin Schwab im Wiener Akademietheater den Pastor Manders in „Gespenster“ spielen, man redet schon eine hübsche Weile, aber er hat noch Zeit, und sowieso ist ihm da, wie oft, gerade eine schöne Geschichte eingefallen zu Dieter Hundt, dem Arbeitgeberpräsidenten. Mit dem hat er im Nachkriegswürttemberg die Schulbank gedrückt, „und jedes Mal, wenn der Dieter in Wien ist“, sagt Schwab, „kommt er zu mir in die Vorstellung“. Hinterher gehen sie mit ihren Frauen aus, aber auch vorher stört Schwab ein Schwatz nicht. Geistlicher hin oder her, wie gerade bei Ibsen: „Ich muss nie in die Sakristei vor der Vorstellung.“ Ein paar Minuten Konzentration nach der Maske reichen ihm, vereinzelte Textstellen hat er auf dem Weg zum Theater memoriert. Er wohnt hinterm Schönbrunner Schloss, im dreizehnten Bezirk, von dort aus nimmt er die U-Bahn.

 

Meistens beobachtet Martin Schwab dann – diskret, wie es seine Art ist – die anderen Menschen und findet es seltsam, wenn auf den Proben jetzt immer öfter gesagt wird, man solle sich dies und das auf Youtube anschauen. Schwab zieht das richtige Leben vor. Er ist damit bisher nie falschgelegen, ein langes Theaterleben lang: im November wird Schwab 75 Jahre alt. Vorsätze? „Keine. Nur spielen, spielen, spielen. Man verstellt sich – und ist trotzdem man selbst.“

Woher kommt sein Antrieb, immer wieder? Hätte Martin Schwab auf seinen Geigenlehrer gehört, stünde er heute noch nicht auf einer Bühne. Der hieb beim Unterricht öfter mit seinem Bogen auf Schwabs Schädel ein und rief: „Kerle, du hasch keinen Takt!“ Zur großen Freude von ungefähr 150 „Freunden des Burgtheaters“, die am Sonntagmorgen eng gedrängt im Wiener Foyer sitzen, erzählt Schwab das in Mundart, nicht ohne wenig später mit genauso großem Heiterkeitserfolg anzuschließen, dass Sprachschmiede und Großdenker im Schwäbischen gar keine Ausnahmeerscheinungen seien: „Der Schiller und der Hegel, der Uhland und der Hauff . . .“, gell? Aber auch wenn der Vater, Pfarrer, wie viele Schwabs vor ihm, ein Mann des Worts gewesen ist (und von den Nazis interniert wurde), war es eben keineswegs selbstverständlich, dass der junge Martin Mime würde. Schwab war das vierte von acht Geschwistern, und er lernte, wie die anderen auch, zuerst einen vergleichsweise braven bürgerlichen Beruf. Chemiekaufmann wollte er aber dann doch nicht bleiben, und so wechselte Schwab, geboren in Möckmühl und Theatergänger und manischer Leser von früh auf, Ende der fünfziger Jahre an die Berliner Max-Reinhardt-Schule, nachdem seine Mutter gesagt hatte, „Hauptsach’, du wirst glücklich im Leben!“, und das hat ja dann auch wirklich geklappt.