Der in Rio lebende Publizist Glenn Greenwald erledigt nun für Edward Snowden das Enthüllungsgeschäft. Dieser zieht sich zurück, Greenwald rückt dadurch ins Rampenlicht und kündigt neue Enthüllungen an.

Hongkong - Der Adrenalin-Schock war so heftig, dass Glenn Greenwald in den zwölf Tagen in Hongkong kaum zwei Stunden Schlaf pro Nacht fand. So schildert er sein Zusammentreffen mit Edward Snowden, dem Daten-Spezialisten der US-Behörde NSA: Als er 5000 Dokumente sichtete, die zuerst ihm und später, nachdem sie gemeinsam die amtliche Daten-Raffgier weltweit publik gemacht hatten, wohl auch der US-Regierung den Schlaf raubten. Während Snowden nun um ein sicheres Asyl kämpft, rückt Greenwald ins Rampenlicht. Denn er ist es, der immer neue Enthüllungen ankündigt.

 

Snowden meidet die Öffentlichkeit, um sich keine Auswege zu verbauen, dafür gibt Greenwald nun die Interviews, die Snowden scheu. Ist das noch die Arbeitsteilung zwischen den beiden? Oder treibt Greenwald die Super-Story im eigenen Interesse voran? Und gibt es einen sogenannten Dead Man’s Pact, also die Absprache, alles auffliegen zu lassen, wenn Snowden etwas zustoße? Dabei hatte der 46-jährige Greenwald, der seine Karriere als Anwalt aufgegeben hat und Publizist wurde, zuerst gar keine Lust, auf das Mail des Unbekannten zu reagieren, der ihn bekniete, ein kompliziertes Entschlüsselungsprogramm herunterzuladen, mit dem sich ihm „ein US-Staatsgeheimnis“ enthüllen werde. Aber „als ich die ersten Dokumente sah, fiel ich fast um“, erzählte Greenwald der brasilianischen Zeitung „O Globo“.

Sein thematischer Schwerpunkt: die persönliche Freiheit

Kurz darauf saß er im Flugzeug nach Hongkong. Der New Yorker Anwalt, der aussieht wie der junge Leonard Cohen, gehört zu den bekanntesten Kommentatoren der USA. Die Fernsehshows reißen sich um ihn, seine Kolumnen erscheinen in den verschiedensten Zeitungen, sein Blog erhielt Preise, drei seiner vier Bücher wurden Bestseller. Der Sprung von der Juristerei in die Publizistik gelang ihm relativ einfach. Als er 2005 seinen Blog begann, war er erstmal sein einziger Leser. Aber dann, nachdem er einen innenpolitischen Skandal der Ära Bush analysiert hatte, verlinkte eine Zeitung seinen Blog, und seine Leserzahl wuchs in die Hunderttausende. Letztes Jahr lobte Newsweek seine „rechtschaffene, kontrollierte, rasiermesserscharfe Wut“ und nannte ihn einen der zehn wichtigsten Meinungsbildner der USA.

Sein Thema ist die persönliche Freiheit, die mit Klauen und Zähnen gegen den Übergriff des Staates verteidigt werden muss. Die US-Regierung, so schrieb er 2006, sei von einem „schleichenden Extremismus“ erfasst, der weder konservativer noch liberaler Ausrichtung sei, sondern angetrieben vom Streben nach „unbegrenzter präsidentieller Macht, die unethisch und den in den USA seit ihrer Gründung geltenden Werten völlig fremd ist“. Gerechtfertigt werde die Tendenz durch Angstmache, vor allem im Hinblick auf Terrorismus. So habe sich nicht nur das Regierungssystem, „sondern auch unser Nationalcharakter, unsere nationale Identität“ zutiefst verändert. Zunächst war George W. Bush die Zielscheibe des linksliberalen Publizisten, dann rückte Barack Obama nach. Denn ob Republikaner oder Demokrat – für Greenwald spielt es keine Rolle.

Der in Rio de Janeiro lebende Greenwald verliebte sich vor acht Jahren in einen 19 Jahre jüngeren Brasilianer. Die Zeitungen widmeten der binationalen Gay-Liebe schmalzige Artikel – wobei der in Rio erscheinende „Globo“, der Greenwald ebenso wie der britische „Guardian“ unter Vertrag genommen hat, das Verhältnis mit einem kräftigen Schuss Nationalismus als Flucht eines wegen seiner Auffassungen und sexuellen Neigungen verfolgten Amerikaners ins libertinäre Brasilien darstellt. Ein pikantes Detail am Rande: Der heute muffig-konservative „Globo“ galt früher als Steigbügelhalter der Militärdiktatur und hat deren brutales Durchgreifen gutgeheißen.