Jacques Rogge ist seit 2001 Präsident des Internationalen Olympischen Komitees gewesen. Die Hoffnungen in den Belgier waren gewaltig, aber sie haben sich nicht alle erfüllt.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Es waren lange zwölf Jahre. Wenn man Jacques Rogge heute sieht, scheint es, als sei noch viel mehr Zeit vergangen. Menschen in solch hohen Positionen altern augenscheinlich im Zeitraffer, wie man auch an US-Präsident Barack Obama sehen kann. Nun ist die Führung der größten Sportorganisation der Welt ein ungleich leichteres Amt, aber leicht ist es auch nicht. Im Gegenteil.

 

Jacques Rogge übernahm das IOC 2001 in einer der schwersten Krisen der mächtigsten Sportorganisation. 1999 war bekannt geworden, dass mehrere IOC-Mitglieder vom Organisationskomitee der Olympischen Winterspiele in Salt Lake City 2002 vor der Vergabe bestochen worden waren, mehr als eine Million Dollar soll geflossen sein. Rogge, der ehemalige Rugbyspieler und Olympiateilnehmer im Segeln, hatte sich dem Kampf gegen Korruption verschrieben. Er wollte aktiver gegen Doping vorgehen, die Kostenexplosion der Spiele eindämmen und das Programm modernisieren. Der Chirurg und Orthopäde wollte viel.

Ein schweres Erbe: Olympia in China

Die Hoffnung war groß. Er sollte der Erneuerer der olympischen Idee sein. Von seinem Vorgänger Juan Antonio Samaranch, dem Olympiapaten und Franco-Anhänger aus Spanien, erbte er nicht nur den Korruptionsskandal, sondern auch ein anderes Vermächtnis: Olympia in China. Die Spiele 2008 führten zu einer Zerreißprobe. Wie seit den 1980er Jahren nicht mehr wurde das IOC zwischen politischen Interessen zerrieben, zwischen Menschenrechten und politischer Neutralität. Und es duckte sich weg. Ohnmächtig verfolgten Rogge und Co., wie ihnen die Kontrolle über ihr Produkt entglitt. Man habe sich, so der Vorwurf, mit Pekings Staatsmacht arrangiert und Pressezensur und Menschenrechtsverletzungen akzeptiert. Es waren neben dem Unfalltod des Rodlers Nodar Kumaritaschwili bei den Winterspielen in Vancouver 2010 die schwersten Stunden seiner Amtszeit.

Kein Konzept gegen den Gigantismus

Unter Rogge setzte sich die Entwicklung Olympias fort. Heute sind die Spiele kommerzieller denn je. Laut Rogge hat das IOC 900 Millionen Dollar auf dem Festgeldkonto. Was bleibt noch? Er gab dem IOC zumindest etwas Glaubwürdigkeit zurück, er hat gegen Widerstände die Olympischen Jugendspiele ins Leben gerufen. Er hat erfolgreich für die Gleichberechtigung von Frauen im Programm gekämpft – in London hatten erstmals alle Nationen Frauen zu Olympia geschickt. Und Golf und Rugby werden 2016 ins Programm zurückkehren. Aber ein Konzept für die Weiterentwicklung der Spiele und gegen den Gigantismus konnte er nicht präsentieren – zu groß waren vielleicht auch die internen Gegner.

Rogge trat als Idealist an, er tritt als Realist ab.

„Natürlich hätte man alles noch besser machen können“, bilanziert er nach zwölf Jahren: „Aber ich denke, ich habe meine Aufgabe erfüllt und übergebe das IOC in einem guten Zustand.“