Elf Kandidaten wollen in den Élyséepalast. Zweieinhalb Wochen vor der Wahl sorgt vor allem ein Thema für Streit: die EU. Nicht nur Marine Le Pen denkt über einen „Frexit“ nach.

Paris - Die Frage eines möglichen EU-Austritts polarisiert den französischen Präsidentenwahlkampf. Neben der Rechtspopulistin Marine Le Pen griffen bei einer TV-Debatte am Dienstagabend weitere Bewerber von links und rechts die Europäische Union scharf an. Sie wollen eine radikale Umgestaltung oder den Ausstieg aus der Gemeinschaft. Der als Favorit gehandelte Sozialliberale Emmanuel Macron und der Konservative François Fillon verteidigten dagegen die EU-Mitgliedschaft.

 

Der fast vierstündige Schlagabtausch aller elf Präsidentschaftskandidaten verdeutlichte die tiefen Gräben in der Europa-Frage. Ein großer Teil der Politiker trat stark EU-kritisch auf – allen voran Front-National-Chefin Le Pen, die im Fall eines Wahlsiegs ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft ansetzen will. Sie sprach sich für einen „intelligenten Protektionismus“ aus, um die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs zu verteidigen.

Der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon forderte eine Neuverhandlung der EU-Verträge: „Man muss die europäischen Verträge verlassen.“ Auch Kandidaten ohne Siegchancen wie Nicolas Dupont-Aignan, François Asselineau und Jacques Cheminade schossen gegen die EU.

Hitzige Debatte um Anti-Terror-Kampf

Le Pen und Macron gelten derzeit als Favoriten für den ersten Wahlgang am 23. April. Für die Stichwahl am 7. Mai sehen Umfragen Macron bei einem Duell gegen Le Pen deutlich vorn.

Der frühere Wirtschaftsminister Macron betonte, er habe „Europa im Herzen“ und griff Le Pen an: „Der Nationalismus ist Krieg.“ Auch der Konservative Fillon, in Umfragen auf dem dritte Platz, verteidigte Frankreichs Platz in der EU. „Wir brauchen Europa, um uns zu beschützen“, sagte er. Die Union müsse sich aber auf bestimmte strategische Ziele konzentrieren. Der Euro müsse so stark werden, dass er längerfristig die weltweite Vorherrschaft des US-Dollar brechen könne. Der in Umfragen abgeschlagene sozialistische Anwärter Benoît Hamon stellte zwar die europäische Sparpolitik infrage, unterstützte aber grundsätzlich Europa.

Hitzig wurde auch über den Kampf gegen Terrorismus diskutiert. Frankreich sei eine „Dschihadisten-Universität“, polterte Le Pen. „Wir müssen unsere Grenzen wiederbekommen. Denn es ist absolut unmöglich, gegen den Terrorismus zu kämpfen, wenn wir nicht wissen, wer in unser Land kommt.“ Mélenchon kritisierte dagegen den seit den Terroranschlägen vom 13. November 2015 geltende Ausnahmezustand: „Wir müssen aus dem permanenten Ausnahmezustand aussteigen.“

Mélenchon und Macron laut Blitzumfrage vorn

Der Linkspolitiker kam bei der Debatte laut einer Blitzumfrage am überzeugendsten rüber. Nach Angaben des Instituts Elabe hielten 25 Prozent der befragten Zuschauer Mélenchon für den überzeugendsten Kandidaten, vor Macron (21 Prozent) und Fillon (15 Prozent). Die fünf aussichtsreichsten Kandidaten hatten bereits vor rund zwei Wochen im Fernsehen debattiert. Nun trafen in den Sendern BFMTV und CNews erstmals alle elf Kandidaten aufeinander. Unter ihnen sind auch zwei Anwärter der extremen Linken, Nathalie Arthaud von der Lutte Ouvrière (Arbeiterkampf) und der Ford-Arbeiter Philippe Poutou von der Nouveau Parti Anticapitaliste (NPA).