Leere Wand statt gelbe Wand: Das DFB-Urteil gegen Borussia Dortmund ist das beherrschende Thema in den Kommentaren der deutschen Sportseiten. Die Pressestimmen im Überblick.

Stuttgart - Fußball-Vizemeister Borussia Dortmund hat dem Strafantrag des DFB-Kontrollausschusses zugestimmt und muss somit am Samstag im Ligaspiel gegen den VfL Wolfsburg auf die Unterstützung von rund 25.000 Hardcore-Fans verzichten. Wir haben die Pressestimmen zum Fall zusammengetragen:

 

„Süddeutsche Zeitung“: „Der Verein haftet für seine Fans. Und die Fans wiederum, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen, erleiden die Drittwirkung dieser Haftung. Sie müssen sich damit abfinden, dass die Sanktion auch sie trifft - es sei denn, die Sanktion, die Tribünensperre, ist absolut unverhältnismäßig. Aber das sind Gummi-Formeln. Wann ist die Sperre verhältnismäßig: Wenn zweihundert Ultras gepöbelt haben? Wenn hundert randaliert haben? Oder reichen zwanzig? Ob solche Sanktionen verhältnismäßig sind, hängt auch davon ab, was der Verein unternimmt, um Randale zu verhindern: Erteilt er Stadionverbote? Wirft er die Randalierer, so sie Mitglieder sind, aus dem Verein? Macht er die Randalierer haftbar? Er kann sie beispielsweise für den Ausfall der Einnahmen verklagen, die ihm wegen der Tribünensperre entstehen. Die Rechtsprechung hat einen solchen Rückgriff akzeptiert. Auch das folgt einem ganz einfachen Rechtsprinzip: Wer nicht hören will, muss fühlen. So kompliziert sind die Haftungsfragen also nicht. Erstens: Vereine haften für ihre Fans. Zweitens: Wer nicht hören will, muss fühlen. Die Tribünensperre ist nicht der angeordnete Herzstillstand. Sie ist eine notwendige Operation.“

„FAZ“: „Die gesamte Tribüne zu sperren erscheint auch deshalb angebracht, weil die Plakataktion gegen Leipzig die Optik erzeugte, dass die Hetzer eben nicht nur einzelne (Ultra-)Fanblöcke für ihre Hass-Parolen zu nutzen vermochten, sondern den größten Teil der viertausend Quadratmeter. Das verstehen zumindest Teile der rechtschaffenen Fans. Manche von ihnen räumen sogar ein, dass sie Verständnis hätten für die Vollsperrung. Die BVB-Verantwortlichen sehen das anders. Je weiter man ihre Erläuterungen liest, desto deutlicher kommt zum Vorschein, dass ihre Zustimmung pragmatisch motiviert, von Opportunitätserwägungen geleitet ist. Und von „der Überzeugung, dass es in der emotional noch immer aufgeladenen Atmosphäre derzeit weder möglich noch sinnvoll erscheint, eine inhaltliche Debatte über ein im juristischen Sinne angemessenes, erforderliches, verhältnismäßiges oder weitsichtiges Strafmaß zu führen“. Im Übrigen sei es „unverhältnismäßig, eine Kollektivstrafe gegen 25.000 Zuschauer“ zu verhängen, deren „überwältigende Mehrheit“ unschuldig sei. In diesem Kontext wirkt das Akzeptieren der Strafe wie ein rein formaler Akt. Dahinter steckt die Botschaft: Wir behalten uns vor, die Sache inhaltlich anders zu bewerten. Dies macht deutlich, dass der Weg, verbale Gewalt im Fußball aufzuarbeiten, noch sehr weit ist.“

„Spiegel Online“: „Dass der Verein vier Tage Zeit gebraucht hat, um die Sperre zu akzeptieren, obwohl es die einzig vernünftige Entscheidung in dieser Situation ist, spricht dafür, dass in der Geschäftsführung der Ernst der Lage erst langsam erkannt wird. Durch die Ereignisse gegen Leipzig hat der Verein einen Imageverlust erlitten, der nachhaltig sein dürfte. Der Sympathiebonus, den der BVB über Jahre problemlos bei Fußballfans außerhalb Gelsenkirchens abrufen konnte, verflüchtigt sich.“

„Welt“: „Wäre es nicht sinnvoller gewesen, den BVB dazu zu verdonnern, seine Ausgaben für Präventivmaßnahmen in der Fanarbeit drastisch zu erhöhen? Zu verlangen, dass zusätzliche Sozialarbeiter und Streetworker eingestellt werden, die mit Beharrlichkeit und Know-how die problematische Fanszene bearbeiten? Darauf zu bestehen, dass der BVB seinen Ordnungsdienst personell ausbaut, besser ausbildet und – vor allem auch – besser bezahlt? Dann könnte zukünftig möglicherweise verhindert werden, dass Transparente mit beleidigendem Inhalt überhaupt in den Stadionbereich gelangen. Der Verdacht drängt sich auf: Mit dem Sperren der Südtribüne beruhigt der deutsche Fußball sein Gewissen. Frei nach dem Motto: Wir haben hart durchgegriffen. Doch ob diese Maßnahme etwas zur Lösung der Probleme beitragen wird, darf bezweifelt werden.“

„Ruhrnachrichten“: „Ob die Kollektivbestrafung der Mehrheit der friedlichen Südtribünengänger nun verhältnismäßig ist oder nicht, das ist unter den betroffenen Fans eine verständliche, dennoch aber eine zweitrangige Diskussion. Vielmehr ging es darum, ein weitreichendes Zeichen zu setzen.“

„Der Westen“: „Borussia Dortmund konnte kaum anders: Hätte der Verein abgelehnt, die Südtribüne für ein Spiel sperren zu lassen, hätte er in der momentan aufgeheizten Stimmung dagestanden als Klub, der es gutheißt, wenn seine Fans auf Frauen und Kinder losgehen. Bei differenzierter Betrachtung hat das eine mit dem anderen zwar wenig zu tun, aber auf differenzierte Betrachtung kann man sich bei dem Thema eben nicht verlassen. Und so haben die Dortmunder dem Antrag des Kontrollausschusses des Deutschen Fußball-Bunds zähneknirschend zugestimmt: 100.000 Euro Geldstrafe und ein Spiel Sperre der Südtribüne. Man will das Thema endlich vom Tisch haben, aber ausgestanden ist es damit noch nicht. Denn für jene ungefähr 24.500 von den 25.000 Zuschauern auf der Südtribüne, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, ist die Aussperrung schwer erträglich. Und für den Klub ist es schwer erträglich, dass er nun gezwungen ist, das hinzunehmen.“