Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Sein mit Durchsetzungsvermögen gepaartes Organisationstalent schien den Geistlichen schließlich ganz nach oben zu tragen. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn machte ihn zum Generalvikar und damit zum Chef der Diözesanverwaltung. Doch der Seelsorger war schon damals ein umbequemer Geist. Er krempelte Strukturen um, kürzte Pfarrern die Gehälter und regelte den Umgang mit sexueller Gewalt. So macht man sich nicht nur Freunde. Die Quittung: der Kardinal entließ ihn reichlich stillos. Das Kündigungsschreiben legte man 1999 nachts vor Schüllers Tür.

 

Fortan war der nur noch einfacher Gemeindepfarrer von Probstdorf, einem Örtchen auf dem flachen Land rund 25 Kilometer östlich von Wien. Eine Verbannung? – das ist nur die halbe Wahrheit. Der Geistliche hat schon in seiner Zeit als Generalvikar die Pfarrei nicht aufgegeben. Er wollte sich die Bodenhaftung bewahren. So hat Schüller in der Gemeinde abends die Schreiben aus dem Briefkasten gezogen, die das Ordinariat an seine Pfarrer geschickt hatte: „Dann habe ich den Kopf geschüttelt, was die sich in der Zentrale alles ausdenken.“

Schüller gibt vielen Hoffung auf ein Ende ihrer Leiden

In der Entrücktheit der Bischöfe, im Eigenleben des von konservativen Kräften dominierten Vatikans sieht der unprätentiöse, hochgebildete Mann die Hauptursache für die Kirchenmisere. „Viele Bischöfe kreisen doch auf ihrer eigenen Laufbahn. Sie verstehen die Nöte der Menschen nicht mehr“, sagt der Theologe. Ein anschauliches Beispiel für seine These sitzt beim Pfarrcafè nach dem sonntäglichen Gottesdienst in der alten Volksschule von Oberhausen, das zu Probstdorf gehört. Die Busfahrerin Katharina Peck hat ihren Verlobten mitgebracht. Ihre Mutter ist Mesnerin, sie selbst war lange Ministrantin. Nun leidet die 40-jährige Blondine an den strengen kirchlichen Regeln. Denn ihren Partner darf sie nicht katholisch heiraten. Das sei doch nicht mehr zeitgemäß, klagt Peck.

Wie Katharina Peck hoffen viele auf den Wandel. Auch Schüller. Nicht nur, weil laut Umfragen drei Viertel der Pfarrer seine Anliegen teilen. Sondern auch, weil die Kirchenspitze nicht weiß, wie sie die Abweichler bändigen soll. Die Ordnungsrufe sind verpufft. Alle Rebellen rausschmeißen geht in Zeiten des Priestermangels nicht. Bliebe noch, die Sache auszusitzen. Doch das hält Schüller für unwahrscheinlich. Wenn nur zwei, drei Bischöfe den Mut fänden, sich der Bewegung anzuschließen, komme alles ins Rutschen. „Das kann stündlich passieren“, sagt der Theologe. Er sieht in der Kirche eine Lage wie bei der Wende in der DDR: „Anfang 1989 hat auch noch niemand geglaubt, dass Ende 1989 die Mauer fällt.“

Das Echo verdankt sich natürlich dem Reizwort „Ungehorsam“ im Titel des Pfarrer-Papiers. Eine bewusste Provokation, ein PR-Genie-Streich? Schüller schüttelt, darauf angesprochen, den Kopf und lächelt wegen der Ironie der Geschichte. „Für unsere Medienarbeit brauchen wir in Wirklichkeit dringend Nachhilfe.“ Eigentlich habe die Initiative einen „Pfingstaufruf“ geplant. Man wurde aber nicht rechtzeitig zum Feiertag damit fertig und brauchte eine neue Überschrift. So kam der Ungehorsam in den Titel. Dann stellten die frommen Männer das Papier ins Internet. Dort wäre es wohl versunken, hätte nicht das von Moldawien aus vorgehende konservative Portal gloria.tv die Thesen empört aufgegriffen. „Unsere Gegner haben uns geholfen“, sagt Schüller dazu.

Weil die Probleme überall im Westen die gleichen sind, weil überall Priester fehlen, die Zahl der Gläubigen schwindet und die Mehrheit an der Basis den Retrokurs des Vatikans ablehnt, zieht die Welle des Protests Kreise. In Belgien, Irland, Frankreich und Australien haben sich Theologen den Österreichern angeschlossen. Gerade ist einer aus der Pfarrerinitiative bei der Gründung eines Ablegers in den USA gewesen. „Er hat dort sehr viel Sympathie erfahren“, erzählt Schüller. In Passau, Rottenburg und Würzburg gibt es ähnliche Bündnisse. In Freiburg leisten Priester ebenfalls leisen Widerstand, lassen sich aber noch mit Gesprächen beruhigen. Die Zeit des Redens ist für Schüller dagegen vorbei. Er fordert Konsequenzen. „Unsere Geduld ist zu Ende. Die Dialogveranstaltungen sind doch bloß Monologe der Bischöfe mit dem Recht auf Zwischenruf.“

Er war schon Manager des Jahres

59 Jahre ist Schüller jetzt. 35 Jahre ist der Niederösterreicher Priester. Er schaut manchmal ein wenig müde aus seinen blassblauen Augen. Ein Anflug von Resignation scheint dann über sein Gesicht zu ziehen, doch die Energie des Geistlichen ist noch lange nicht erschöpft. Seine zupackende Art ließ den aus einer gläubigen Familie stammenden Sohn eines Juristen früh die kirchliche Karriereleiter erklimmen. Anfang der 90er Jahre war er Caritas-Präsident und organisierte die Hilfe für Flüchtlinge aus dem Balkan. Das trug Schüller den Titel „Manager des Jahres“ ein, machte ihn aber auch zum Adressaten einer Briefbombe eines Rechtsextremisten. Der Sprengsatz wurde zum Glück rechtzeitig entschärft.

Die Kündigung wurde ihm vor die Tür gelegt

Sein mit Durchsetzungsvermögen gepaartes Organisationstalent schien den Geistlichen schließlich ganz nach oben zu tragen. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn machte ihn zum Generalvikar und damit zum Chef der Diözesanverwaltung. Doch der Seelsorger war schon damals ein umbequemer Geist. Er krempelte Strukturen um, kürzte Pfarrern die Gehälter und regelte den Umgang mit sexueller Gewalt. So macht man sich nicht nur Freunde. Die Quittung: der Kardinal entließ ihn reichlich stillos. Das Kündigungsschreiben legte man 1999 nachts vor Schüllers Tür.

Fortan war der nur noch einfacher Gemeindepfarrer von Probstdorf, einem Örtchen auf dem flachen Land rund 25 Kilometer östlich von Wien. Eine Verbannung? – das ist nur die halbe Wahrheit. Der Geistliche hat schon in seiner Zeit als Generalvikar die Pfarrei nicht aufgegeben. Er wollte sich die Bodenhaftung bewahren. So hat Schüller in der Gemeinde abends die Schreiben aus dem Briefkasten gezogen, die das Ordinariat an seine Pfarrer geschickt hatte: „Dann habe ich den Kopf geschüttelt, was die sich in der Zentrale alles ausdenken.“

Schüller gibt vielen Hoffung auf ein Ende ihrer Leiden

In der Entrücktheit der Bischöfe, im Eigenleben des von konservativen Kräften dominierten Vatikans sieht der unprätentiöse, hochgebildete Mann die Hauptursache für die Kirchenmisere. „Viele Bischöfe kreisen doch auf ihrer eigenen Laufbahn. Sie verstehen die Nöte der Menschen nicht mehr“, sagt der Theologe. Ein anschauliches Beispiel für seine These sitzt beim Pfarrcafè nach dem sonntäglichen Gottesdienst in der alten Volksschule von Oberhausen, das zu Probstdorf gehört. Die Busfahrerin Katharina Peck hat ihren Verlobten mitgebracht. Ihre Mutter ist Mesnerin, sie selbst war lange Ministrantin. Nun leidet die 40-jährige Blondine an den strengen kirchlichen Regeln. Denn ihren Partner darf sie nicht katholisch heiraten. Das sei doch nicht mehr zeitgemäß, klagt Peck.

Wie Katharina Peck hoffen viele auf den Wandel. Auch Schüller. Nicht nur, weil laut Umfragen drei Viertel der Pfarrer seine Anliegen teilen. Sondern auch, weil die Kirchenspitze nicht weiß, wie sie die Abweichler bändigen soll. Die Ordnungsrufe sind verpufft. Alle Rebellen rausschmeißen geht in Zeiten des Priestermangels nicht. Bliebe noch, die Sache auszusitzen. Doch das hält Schüller für unwahrscheinlich. Wenn nur zwei, drei Bischöfe den Mut fänden, sich der Bewegung anzuschließen, komme alles ins Rutschen. „Das kann stündlich passieren“, sagt der Theologe. Er sieht in der Kirche eine Lage wie bei der Wende in der DDR: „Anfang 1989 hat auch noch niemand geglaubt, dass Ende 1989 die Mauer fällt.“