Nach beinahe drei Jahrzehnten großer Karriere verlässt die Erste Solistin die Stuttgarter Kompanie. Bereits vom kommenden Monat an wird sie neue Direktorin des Koreanischen Nationalballetts in ihrer Heimatstadt Seoul.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Sue Jin Kang, Erste Solistin beim Stuttgarter Ballett und eine der prägenden Tänzerinnen der Kompanie, seit sie vor rund zwei Jahrzehnten Solistin wurde, verlässt das Stuttgarter Staatstheater – für eine allerdings höchst ehrenvolle neue Aufgabe: Bereits vom kommenden Monat an wird sie neue Direktorin des Koreanischen Nationalballetts in ihrer Heimatstadt Seoul; am Dienstag gab der Kulturminister des Landes ihre Ernennung bekannt. Kleiner Trost für die hiesigen Fans: Sue Jin Kang (46) wird noch zwei Spielzeiten lang Auftritte in Stuttgart absolvieren; ihre Abschiedsgala ist erst für 2016 geplant.

 

Kann man sich das Stuttgarter Ballett ohne Sue Jin Kang vorstellen? Schwer. 1986 wurde sie ins Corps de Ballett berufen, 1994 zur Solistin, 1997 vom Intendanten Reid Anderson zur Ersten Solistin befördert. Man schreibt immer so leicht: „Sie hat alles getanzt“, aber in ihrem Fall trifft es ja zu: Sage und schreibe 51 tragende Rollen in Stuttgart verzeichnet ihre Künstlerbiografie, von „Afternoon of a Faun“ von Jerome Robbins bis „Voluntaries“ von Glen Tetley, und dazwischen findet sich natürlich die Tatjana aus dem „Onegin“, die Julia aus „Romeo und Julia“ und die Katharina aus „Der Widerspenstigen Zähmung“, also die Hauptrollen der drei großen Cranko-Ballette.

Sue Jin Kang genießt in Korea Popstar-Status

Hinzu kommen 14 eigens für sie kreierte Rollen, von Mrozewski bis Kylian. Und prompt muss man an ihren jüngsten ganz großen Auftritt auf der Stuttgarter Bühne denken: als „Herr Gevatter“ in Demis Volpis „Krabat“– eine Gestalt wie aus einem Traum, schön und grausam zugleich, mit wundersamsten Bewegungen und einer Präsenz, die jeden Widerspruch in ihrer Umgebung im Keim erstickt.

Herrlich aber natürlich auch ihre neue Aufgabe: Sue Jin Kang genießt als „Stuttgarter Primaballerina“ schon seit Langem in Korea Popstar-Status; die Kompanie hat es bei ihren Gastspielen in Seoul immer wieder erlebt. Im Nationalballett des Landes sind fast hundert Tänzer engagiert; man pflegt überwiegend ein klassisches Repertoire. Vorstellungen finden unter anderem im Opernhaus des Seoul Arts Center mit 2300 Plätzen statt. Dem Stuttgarter Ballettchef Anderson wird der Abschied wehtun – andererseits kann er sich freuen: Auf der Tanz-Weltkarte ist Stuttgart nun künftig noch besser vernetzt als bisher.