Vor kurzem ist das Parkhaus für Drahtesel am Waiblinger Bahnhof probeweise in Betrieb gegangen. Noch dürfen nur Testkunden ihre Räder einstellen. Wir haben eine Testerin dabei begleitet – und nachgefragt, wie es mit Tagestickets aussieht.

Waiblingen - Etwas Geschick und ein gewisses Maß an Gelenkigkeit braucht es schon: Christina Schwarz steht am Zugangsterminal A des neuen Waiblinger Radhauses und versucht, ihren Drahtesel rückwärts in die Box mit der Nummer 4 zu schieben. Sie muss sich ducken und ein Stück in die etwa 1,50 Meter hohe Öffnung beugen, um das Hinterrad in die dafür vorgesehene Halterung zu bugsieren. „Das Fahrrad rückwärts reinzufahren ist schon etwas gewöhnungsbedürftig“, sagt Christina Schwarz. Geschafft! Die Waiblingerin verstaut noch rasch ihren neongelben Helm neben dem Vorderrad und hält dann ihre Zugangskarte an das kreisrunde Feld neben der Box. Langsam senkt sich die Tür nach unten, die Box ist verschlossen, das Fahrrad sicher verstaut.

 

So rund laufe es allerdings nicht jeden Tag, berichtet Christina Schwarz, die sich bereit erklärt hat, bis Ende Juni als Testkundin das im Probebetrieb befindliche Parkhaus für Fahrräder zu benutzen. An einem Tag sei die Tür nicht ganz zugegangen, am nächsten seien alle Lichter auf Rot und das Parkhaus still gestanden. Zum Glück hat Christina Schwarz an solchen Tagen die Möglichkeit, ihr Rad einfach einige Meter weiter zu schieben und es in einer herkömmlichen Fahrradbox abzustellen. Die nutzt sie schon seit vielen Jahren. „Ich war eine der ersten, die damals eine Box angemietet hat“, erzählt die überzeugte Radlerin.

120 Räder finden Platz

Den Weg von ihrem Zuhause in der Wasserstubensiedlung bis zum Bahnhof Waiblingen legt sie Tag für Tag in zehn Minuten mit dem Rad zurück und steigt dann in die S-Bahn nach Stuttgart, wo sie arbeitet. „Wenn die Fahrradboxen nicht wegkommen würden, wäre ich einfach dabei geblieben“, sagt Christina Schwarz: „Ich war super zufrieden – man schließt auf, schiebt das Rad rein und schließt zu – fertig.“ Der Vorteil des Radhauses sei aber natürlich, dass man dort auf recht kleiner Fläche, nämlich 55 Quadratmetern, bis zu 120 Räder stapeln könne.

„Es muss halt alles gut funktionieren“ sagt Schwarz, die seit Beginn des Probebetriebs immer einige Minuten früher kommt, weil es manchmal etwas dauert, bis das Rad schließlich im Parkhaus steht. „Man muss sich schon auf Überraschungen gefasst machen“, berichtet Christina Schwarz, die wie alle Testkunden zunächst eine Einweisung von der fürs Radhaus zuständigen Parkierungsgesellschaft Waiblingen bekommen hat.

Um wieder an ihr Rad zu kommen, legt die Testerin die Nutzerkarte auf einen Monitor am Eingang des Terminals. „Eigentlich müsste jetzt auf dem Bildschirm stehen, wo mein Rad ist“, sagt Christina Schwarz. Das ist zwar heute nicht der Fall, aber kein Problem für Schwarz – schließlich hat sie es eben erst eingestellt und weiß, wo sie hinmuss. Da noch nicht alle sechs Boxen von Terminal A belegt sind, steht das Rad noch an Ort und Stelle – erst wenn alle Fächer gefüllt sind, wird der volle Sechser-Pack ins Hochregallager transportiert und eine neue Ladung leerer Boxen bereitgestellt.

Hoher Bordstein und Rabatten

Ohne Probleme holt Christina Schwarz mit ihrer Zugangskarte ihr Rad wieder aus Box 4 heraus. Ein Blick auf den Monitor zeigt, dass das Parkhaussystem das offenbar nicht mitbekommen hat – erst mit Verzögerung wird das Abholen registriert. „Das System ist irgendwie im falschen Modus“, sagt Christina Schwarz und macht sich für die Abfahrt von Terminal A bereit. Einen kleinen Umweg muss sie auf dem Heimweg in Kauf nehmen, denn ein hoher Bordstein und Rabatten versperren den direkten Zugang in Richtung Dammstraße und Bahnhof. Von Terminal B aus verläuft ein Weg ohne Barriere – allerdings landen Radler, die sich für diesen entscheiden, direkt auf einem mit Autos vollgestellten Parkplatz. An der Anbindung ließe sich durchaus noch etwas verbessern, findet Christina Schwarz. „Bis Ende Juni sind hoffentlich alle Kinderkrankheiten beseitigt“, meint sie und schwingt sich auf ihr Rad.

Auch Christian Nußbaum von der Parkierungsgesellschaft spricht von „Kinderkrankheiten“, die man noch in den Griff bekommen müsse, zum Beispiel Tore, die manchmal nicht komplett schließen. Für alle Fälle gebe es ja einen Notrufschalter und zudem werde das Radhaus auch mit Kameras überwacht. Insgesamt laufe der Probebetrieb, an dem 32 Testerinnen und Tester teilnähmen, aber gut, das Parkhaus werde gerne angenommen.

Parken darf man nur nach einer Einweisung

Das größte Problem sei wohl, dass das Radhaus nur nach einer Einweisung benutzt werden könne und dürfe, sagt Christian Nußbaum: „Das lässt sich nicht umgehen.“ Dieser Punkt hat schon Kritik ausgelöst, da Radler, die das Radhaus spontan nutzen möchten, bislang außen vor bleiben. Bei der Parkierungsgesellschaft suche man derzeit nach Lösungen, sagt Nußbaum. Eine Möglichkeit für solche Einzelfälle sei, dass der Parkwächter der Marktgarage, der das Radhaus ohnehin mit im Blick haben müsse, als Einweiser fungiere und zum Radhaus komme. „Das müssen wir abklären“, sagt Christian Nußbaum. Gleiches gelte für das Tagesticket, das geplant sei: „Da gibt es noch ein Kompatibilitätsproblem mit der Polygo-Karte.“

Mehr Parkmöglichkeiten für Drahtesel

Waiblingen:
Das knapp elf Meter hohe Waiblinger „Radhaus“ mit fünf Ebenen bietet Platz für 120 Fahrräder. Der ursprünglich als „Biketower“ geplante Bau am Waiblinger Bahnhof sollte eigentlich bis zur Remstal-Gartenschau im Frühjahr 2019 fertig gestellt sein. Das hat allerdings nicht geklappt. Derzeit läuft der Probebetrieb des Parkhauses, die Testphase dauert voraussichtlich bis zum 30. Juni. Während dieser Zeit können Testkunden ihr Rad kostenlos einstellen.

Kosten:
Das vollautomatische Radhaus kostet rund 670 000 Euro, der Verband Region Stuttgart hat einen Zuschuss von 394 000 Euro bewilligt. Nutzer des Radhauses zahlen fünf Euro im Monat, pro Jahr 50 Euro. Radler können ihre Drahtesel nur nach einer Einweisung und mit einer Zugangskarte einstellen, eine spontane Nutzung ist derzeit noch nicht möglich. Wer das Radhaus nutzen möchte, kann sich bei der Parkierungsgesellschaft der Stadt Waiblingen melden, Telefon 0 71 51/5001 83 33 oder per E-Mail parkierungsgesellschaft@waiblingen.de.

Fellbach:
Auch Fellbach baut am Bahnhof einen Fahrradparkturm für 76 Räder. Mitte Januar sind nach Verzögerungen die ersten Stahlträger für den 16 Meter hohen Turm angeliefert worden. Anfang April soll eine mehrmonatige Probephase beginnen. Die Kosten liegen laut Stadt bei 912 000 Euro, Fellbach erhält Zuschüsse in Höhe von 440 000 Euro.