Produktion in Italien Rom will Tesla und BYD nach Italien locken

Klein aber oho: der elektrische Fiat Topolino Foto: Fiat

Italiens Regierung will vom Nein bei der Bürgerbefragung gegen die Erweiterung des Tesla-Werks in Grünheide profitieren.

Die Regierung in Rom bemüht sich fast schon verzweifelt um Investitionen ausländischer Automobilhersteller. Seit Wochen gibt es Gerüchte um eine mögliche Ansiedlung des weltweit größten Elektro-Autobauers BYD aus China. Nun wittert Rom nach dem klaren Nein in einer Bürgerbefragung in Grünheide zu einer geplanten Erweiterung des Tesla-Standorts eine neue Chance.

 

Musk als Ehrengast bei den Fratelli d`Italia

Industrieminister Adolfo Urso hat in einer Anhörung vor dem Abgeordnetenhaus über „Kontakte mit Herstellern aus verschiedenen Ländern, nicht nur östlichen sondern auch westlichen“ berichtet. Er bestätigte Kontakte mit Tesla-Chef Elon Musk. Musk war in den letzten Monaten mehrmals in Rom und soll Investitionen in Italien planen. Allem Augenschein nach versteht er sich sowohl politisch als auch persönlich prächtig mit Premierministerin Giorgia Meloni. Er kam sogar als Ehrengast zum Fest ihrer rechtsnationalen Partei Fratelli d`Italia. Allerdings hat Musk bisher nicht erkennen lassen, dass er eine Autofabrik in Italien plant. Außerdem ist das Bürgervotum in Grünheide rechtlich nicht bindend.

Rom wirbt fast verzweifelt um Investitionen von Autoherstellern. Im Gespräch sind neben Tesla die chinesischen Hersteller Chery Automobile, Great Wall Motors und vor allem BYD, der weltweit größte Hersteller von Elektroautos. BYD-Europa-Generaldirektor Michael Shu bestätigte „Kontakte“. Doch der chinesische Hersteller plant erstmal nur ein Werk in Ungarn, das 2027 in Betrieb gehen soll. Bevor man über ein zweites Werk in Europa entscheide, müsse man die Entwicklung der Verkäufe in Europa abwarten, dämpft Shu allzu große Erwartungen.

Produktionsrückgang in Italien

Die hektischen Bemühungen Roms erfolgen vor dem Hintergrund des massiven Produktionsrückgangs im Land. Der französisch dominierte Stellantis-Konzern, zu dem die italienischen Marken Fiat, Alfa Romeo, Lancia und Maserati gehören, baut immer weniger Autos in Italien, das einst neben Deutschland der führende Fertigungsstandort in Europa war. Inzwischen ist Italien auf Platz acht in Europa abgerutscht. Stellantis ist der einzige große Hersteller im Land. DR Automotive baut lediglich chinesische Autos etwas um und verkaufte 2023 knapp 33 000 Autos. Die hoch rentablen Produzenten Ferrari und die Audi-Tochter Lamborghini fertigen 13 663 bzw. 10 112 Fahrzeuge pro Jahr. Der früher mächtige Fiat-Konzern hat über Jahrzehnte Ansiedlungspläne anderer Produzenten hintertrieben.

Stellantis hat die Produktion in Italien 2023 zwar gegenüber 2022 um 9,6 Prozent auf 752 000 Pkw und kleine Nutzfahrzeuge erhöht. Doch zum Jahresende wurde das Werk in Turin Grugliasco geschlossen. Die seit etwa einem Dreivierteljahr dauernden Verhandlungen der Regierung mit Stellantis über eine Erhöhung der Fertigung auf mehr als eine Million Einheiten kommen nicht voran. Die Perspektiven sind schlecht.

Zwar haben die Marken Fiat und Alfa Romeo ihren Absatz 2023 deutlich gesteigert. Doch deren Autos kommen zu einem Großteil aus nicht-italienischen Werken. Und künftige Modelle werden überwiegend nicht bzw. nicht mehr in Italien gebaut. Der geplante neue Elektro-Panda soll in Serbien vom Band laufen, der neue Fiat 600 in Polen, der Fiat Topolino in Marokko.

Zwischen Meloni und Stellantis-Chef Tavares flogen teilweise die Fetzen

Ein neues Lancia-Modell wird in Spanien gebaut, der lang erwartete Kompakt-SUV Milano von Alfa Romeo in Polen. Die Fertigung der Maserati-Modelle Quattroporte und Ghibli ist gerade ausgelaufen und Ende März folgt das Aus für den SUV Levante. Nachfolgemodelle kommen erst 2027 bzw. 2028.

Zwischen Stellantis-Chef Carlos Tavares und Meloni flogen zeitweise die Fetzen. Denn Rom unterstützt nun den Kauf von lokal schadstofffreien Autos oder Fahrzeugen mit niedrigen CO2-Emission mit bis zu 13 750 Euro pro Auto und hat auch Hilfen für die Unternehmen frei gegeben. Doch die insgesamt fast 1 Milliarden Euro, die die Regierung für 2024 freigegeben hat, sind Tavares zu wenig. Außerdem geht nach seiner Ansicht alles viel zu langsam. Er fordert eine Verschiebung der verschärften Euro-7-Abgasnorm sowie mehr Ladesäulen für Elektro-Autos. Tavares bezeichnete Italiens Autowerke als nicht wettbewerbsfähig und stellte die Zukunft des früheren Fiat-Stammwerks in Turin Mirafiori sowie der süditalienischen Fabrik in Pomigliano in Frage.

Milliarden an Fiat

Meloni brachte daraufhin einen Einstieg des italienischen Staats bei Stellantis, an der auch Paris beteiligt ist, ins Spiel. Und Vizepremier und Lega-Chef Matteo Salvini erinnerte an die vielen Milliarden, mit denen Rom in den vergangenen Jahrzehnten Fiat, Stellantis und den einstigen Fiat-Eignern, der Familie Elkann-Agnelli, unter die Arme gegriffen hat. Immerhin gab es zuletzt eine gute Nachricht: Das amerikanisch-chinesische Elektro-Start-Up Aehra will in den Abruzzen 540 Milliarden Euro investieren, um dort 800-PS-starke Elektro-Boliden zu bauen. Doch auch dieses Projekt ist noch nicht in trockenen Tüchern.

Italiens Autoindustrie

Umsatz
Die einst mächtige italienische Autoindustrie zählt noch etwa 270 000 Beschäftigte, die rund 100 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften. Das entspricht rund 5,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Beschäftigte
Stellantis hat seit der Übernahme des Fiat-Konzerns 2021 in Italien 8000 Jobs abgebaut und plant eine weitere Reduzierung. Der Branchenverband Anfia rechnet mit dem Verlust von 60 000 Jobs.

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