Bei der Produktion von Bauteilen für Solarzellen ist China derzeit uneinholbar führend. Würde es zu den Ende 2022 eingeleiteten Exportbeschränkungen kommen, wäre dies eine immense Herausforderung für die Energiewende.
Unter einem Wafer können sich mutmaßlich die wenigsten Menschen auf Anhieb etwas vorstellen, selbst wenn die Dinger auf dem eigenen Dach verbaut sind. Wafer sind die Basis von Solarzellen, es handelt sich dabei um kreisrunde oder quadratische, Millimeter feine Scheiben, mit Diamantdraht abgeschnitten von Siliziumblöcken, den sogenannten Ingots. Recht unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit hat das chinesische Handelsministerium Solarwafer und Ingots Ende 2022 auf eine Liste von Gütern genommen, die in Zukunft nicht mehr frei exportierbar sein sollen.
Noch ist die Exportbeschränkung nicht scharfgeschalten; würde sie es, dürfte dies die Energiewende vor immense, zusätzliche Herausforderungen stellen. 98 Prozent der Wafer weltweit kämen aktuell aus China, sagt Franz Pöter, Geschäftsführer des Solarclusters Baden-Württemberg. Diesen Vorsprung einzuholen, bezeichnet er als unmöglich. Laut Jochen Rentsch vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg werden Solarwafer in Europa derzeit bei gerade einmal zwei Herstellern gefertigt, beide mit Sitz in Norwegen. Laut Rentsch haben sie eine Produktionskapazität von einem Gigawatt. Zum Vergleich: Die globale – und vor allem chinesische – Kapazität liege bei rund 350 Gigawatt, so der Experte. Wie groß ist vor diesem Hintergrund in der deutschen Solarbranche die Sorge vor verschärften Exportbedingungen in China?
„Wir sind zuversichtlich, dass China diesen Schritt nicht gehen wird“, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft. „Ein derart rigoroser Protektionismus im Bereich der Energie- und Umwelttechnik würde den Erfolg des globalen Klimaschutzes gefährden.“ Der Klimawandel verlange „Kooperation statt Konfrontation“. Nach Einschätzung des Verbands dürften solche Handelspraktiken dazu beitragen, „dass Politik und Wirtschaft in Europa alles in Bewegung setzen werden, um die Resilienz der europäischen Solarwirtschaft zu erhöhen“, so Körnig. Er meint damit, die Wertschöpfungsketten wieder aufzubauen. Wieder deshalb, weil Deutschland einmal führend war in der Solarproduktion. Nach einem Förderstopp durch die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung vor rund zehn Jahren brach die Branche – ebenso wie bei Windkraft – zusammen, das Know-how wanderte nach Asien und vor allem China ab.
Große Abhängigkeit bei Equipment für Produktionsstraßen
Franz Pöter vom Solarcluster Baden-Württemberg beschreibt die Stimmung in der Branche als „abwartend“, was die mögliche Ausfuhrbeschränkungen betrifft. Träte sie in Kraft, „würde das den Bestrebungen zur Energiewende einen deutlichen Dämpfer verpassen“, sagt er. In der Folge müssten für den Ausbau der Erneuerbaren fertige Module gekauft werden und nicht mehr auch in Einzelteilen. Der wegbrechende Nachschub an Wafern, würde damit auch den Aufbau einer eigenen Herstellungskette in Europa tangieren. Ihm sei berichtet worden, dass man beim Equipment für neue Produktionsstraßen in den nächsten zwei bis vier Jahren auf Lieferungen aus China angewiesen sei, so Pöter.
Jochen Rentsch vom Fraunhofer-Institut teilt diese Einschätzung. Bei der Ausrüstung für Produktionsanlagen – vor allem Kristallziehanlagen und Sägen – sei man derzeit komplett abhängig von den Chinesen. „Die Anlagenhersteller haben die Brisanz erkannt“, sagt Rentsch. „Und es ist ja auch nicht so, dass man hier bei Null anfängt.“ Doch es dauere sicher zwei, drei Jahre, bis eine solare Wertschöpfungskette in Europa aufgebaut sei. Solange sei man in der Energiewende zwangsläufig auf Lieferungen aus China angewiesen. Ob der Exportstopp tatsächlich kommt, sei „sehr schwierig einzuschätzen“, sagt Rentsch. Fakt sei: „Er könnte jederzeit aktiviert werden.“
Das sagt das Wirtschaftsministerium
Und wie blickt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz auf die drohende Gefahr? „Die Bundesregierung unternimmt erhebliche Anstrengungen, die Unternehmen bei der Diversifizierung von Lieferketten zu unterstützen, insbesondere dadurch, dass sie ihre Instrumente der Außenwirtschaftsförderung neu justiert hat“, teilt ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums auf Anfrage mit.
Man unterstütze die Ansiedlung von Produktionskapazitäten in Deutschland und Europa. Die hypothetische Frage, welche Folgen eine Exportbeschränkung für die Energiewende hätte, möchte man indes nicht kommentieren.