Von November an sollen Städte und Landkreise nun das schon seit dem 1. Juli geltende Prostituiertenschutzgesetz umsetzen. Die Kritik daran ist aber noch nicht verstummt.
Stuttgart - Das erste innovative Geschäftsmodell ist durch das neue Prostituiertenschutzgesetz schon entstanden, bevor dessen Umsetzung überhaupt begonnen hat. Rotlicht-Akademie heißt die Firma des Ulmer Eventmanagers Christoph Rohr. „Ein bürokratisches Monster“, nennt der Berater das Gesetz, das seit 1. Juli gilt und nun, mit vier Monaten Verspätung, vom 1. November an in Städten und Landkreisen umgesetzt werden soll. Rohr ist überzeugt: Die meisten Bordellbetreiber, die sich künftig einer Zuverlässigkeitsprüfung unterziehen müssen, steigen nicht durch die Paragrafen, drum bietet er ihnen Seminare an. Und weil bis Ende des Jahres alle Prostituierten der neuen Anmeldepflicht nachkommen müssen und dafür eine Meldeadresse brauchen – etwa 80 Prozent der Frauen, die hauptsächlich aus Osteuropa stammen, haben aber keine –, bietet Christoph Rohr ihnen einen „Post- und Scanservice“. Der Chef der Firma Extra Vaganca sagt mit Blick auf den Umsetzungsstart: „Der Zeitdruck ist das Schwierigste.“
Seit dem 1. Juli, als das Land die Sache vorübergehend in die Hand nahm, weil es selbst noch kein Ausführungsgesetz vorweisen konnte, ist wenig passiert. „90 Personen haben ihre Tätigkeit als Prostituierte angemeldet“, sagt ein Sprecher des Landessozialministeriums. Das ist nicht viel bei geschätzten 26 000 Dirnen im Land.
Bis jetzt ist nicht viel gelaufen
Von derzeit „unhaltbaren Zuständen“ spricht ein Bordellbetreiber, der ungenannt bleiben will. Wegen eingestandenen Personalmangels beim Land sei es überaus schwierig gewesen, die rund 30 Frauen in seinem Betrieb anzumelden. Bis jetzt sei ihm dies nur teilweise gelungen, klagt er. „Und uns Betreiber hat man mit unseren Anträgen nur immer vertröstet.“ Im Oktober gebe es keine Termine mehr. Das sei für neu ankommende Prostituierte, die sich sofort anmelden müssen, ein „Berufsverbot“, ärgert sich der Bordellbetreiber. „Man hat sich bis jetzt nicht gesetzeskonform verhalten können.“ Weil die Frauen, die meist kaum Deutsch sprechen, die Behördengänge nicht alleine erledigen könnten und das Informationsmaterial nur auf Deutsch vorliege, habe er ein Infoblatt in osteuropäische Sprachen übersetzen lassen.
Von November an soll nun alles besser werden, wenn Städte und Landkreise zuständig sind. „Was meinen Sie, was das für einen Run gibt“, schätzt der Bordellbetreiber. Beispiel Stuttgart: Rund 500 Prostituierte seien hier jeden Tag tätig, haben Zählungen der Polizei 2016 ergeben, im ganzen Jahr registrierte man rund 1400 Frauen, gut 750 davon neu erfasst.
„Nicht akzeptable Billigheimerlösung“
Wenn es kommt wie befürchtet, taucht die erste Schwierigkeit auf: Die Stadt wird das nötige Personal womöglich noch nicht haben, wegen des kurzen Vorlaufs. Und nach wie vor ist unklar, ob die vom Land vorgesehenen Gelder reichen. In der Verwaltung geht man davon aus, dass man sechs Stellen zusätzlich benötigt. „Wir haben immer noch keine sichere Planungsgrundlage“, sagt Martin Priwitzer vom Gesundheitsamt. Die für die verschiedenen Beratungen angesetzten Zeiten seien bei Weitem nicht ausreichend. Alexis von Komorowski, der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags, hat unlängst von einer „nicht akzeptablen Billigheimerlösung“ gesprochen. Gerhard Mauch vom Städtetag nannte die Pläne „wirklichkeitsfremd“. An den kritisierten Kostensätzen des Kabinettsentwurfs für das Ausführungsgesetz hat das Land nichts mehr geändert. Der Stuttgarter Rat sieht sich so in der unbequemen Lage, dass er womöglich ein Konzept beschließt, das zwar dem Geist des neuen Gesetzes entspricht, für das er aber zuletzt wenigstens teilweise selbst zahlen muss. „Hanebüchen, was Bund und Land sich hier leisten“, sagt einer aus der Verwaltung.
An diesem Montag befasst sich der Sozialausschuss mit dem neuen Gesetz und mit den Umsetzungsplänen der Ämter.