Region: Verena Mayer (ena)

Die Tür der Effektenkammer in Hafthaus acht schließt sich. Mark Pollmann muss die Hosen runterlassen. Sein Poloshirt ausziehen, die Schuhe, Strümpfe, alles. Dafür bekommt er zwei Seesäcke. Darin stecken zwei Jeans, drei Hemden, sieben Unterhosen, Unterhemden und Strümpfe. Außerdem Bettwäsche und Metallgeschirr. Sein Handy und das angebrochene Päckchen Tabak darf Pollmann nicht mit in die Zelle nehmen. In seinem Tagebuch vermerkt der Neuzugang dass er freundlich aufgenommen wird. Und kaum, dass er 20 Minuten eingesperrt ist, bringt ein Wärter Post: sechs Karten. „Wir lassen uns nicht kriminalisieren“ steht auf der Vorderseite des Papiers, das die Parkschützer gedruckt, an ihren Mitstreiter in der JVA adressiert und großflächig verteilt haben. Bis zum Ende der Haft wird Pollmann mehr als 700 Karten, Briefe und Päckchen bekommen. „Fanpost“, nennen es die Wärter. „Everything is fine in Zelle 05 JVA Rottenburg“ schreibt der Hausfriedensbrecher am Ende des ersten Tages.

 

Wenn er wollte, dürfte er diese Zelle bereits nach fünf Tagen für immer verlassen. Mit dem Segen einer Verwaltungsvorschrift aus dem Jahr 1998. Demnach kann Ersatzfreiheitssträflingen die Hälfte der Haftzeit „gnadenweise“ erlassen werden. Damit sie nicht die Plätze belegen, die das Land dringend für die schweren Fälle benötigt. Doch Mark Pollmann, der von diesem Gnadenerweis erst hinter Gittern erfährt, will nicht früher raus. Er sei zu zehn Tagessätzen verurteilt und respektiere diese Entscheidung, erklärt er den verdutzten Beamten. So kostet der Absitzer den Staat während seiner Zeit in Rottenburg 1000 Euro. Mark Pollmann, der eigentlich Geld geben sollte, hat kein schlechtes Gewissen. „Der Staat nimmt ja auch von mir Geld für sinnlose Dinge wie Stuttgart 21“, sagt er. Für die Justiz spielen solche wirtschaftlichen Erwägungen keine Rolle. „Eine Strafe muss vollstreckt werden“, sagt eine Sprecherin des Ministeriums. Die gnädige Verwaltungsvorschrift aus dem Jahr 1998 gilt seit dem vergangenen Freitag übrigens nicht mehr. Die Gefangenenzahlen seien rückläufig.

Besorgte Beamte beenden den Schlaf

Das Essen in der Anstalt ist besser als das früher in seiner Mensa, vermutet Mark Pollmann. Es sieht so aus. Er isst es nicht. Der freiwillige Gefangene hat sich gegen die Vollpension entschieden – und für ein lockeres Heilfasten. Er er ernährt sich von wenigen Scheiben Brot, Obst und viel Wasser. Dem Gefängnisarzt versichert Pollmann, dass er keinen Hungerstreik plane. Den Beamten, die das Essen ausgeben, sagt er nichts von seinem Knastfasten. Sie reagieren rasch „aufgeregt“, wie er feststellt. Aus einem seiner Mittagschläfe wird Pollmann von zwei Männern gerissen, die seinen Namen rufen. Sie waren in Sorge, weil der Neue nicht sofort reagierte, als das Abendessen geliefert wurde.

23 Stunden am Tag ist der Absitzer in seiner Zelle. Arbeiten darf er nicht. Es lohnt sich nicht, ihn in einem der Gefängnisbetriebe anzulernen. Eine Stunde gibt es für Hofgang. „Wer da nicht gut mit sich im Reinen ist, für den wird ein solcher Knastaufenthalt zur wahren Hölle – in allem auf sich selbst zurückgeworfen“, schreibt Mark Pollmann am sechsten Tag. Ihm macht das nichts aus. Auch nicht, als sein Zimmergenosse entlassen wird. Mark Pollmann ist gerne in seiner eigenen Gesellschaft.

Zwölf Quadratmeter, Stockbett, Waschbecken

Hauptberuflich arbeitet der ehrenamtliche Baumschützer als selbstständiger Versicherungsfachmann und Finanzberater. Außerdem lässt er sich zum Heilpraktiker für Psychotherapie ausbilden. Seine Haft hat er extra in die Pfingstwoche gelegt. Dann sind auch viele seiner Kunden nicht da. Hafturlaub mal anders.

Die Zelle in Rottenburg ist etwa zwölf Quadratmeter groß. Ein Stockbett steht darin, ein Tisch, zwei Stühle, ein Fernseher, ein Waschbecken. Hinter einer nicht verschließbaren Türe befindet sich die Toilette. Auf dem Schrank drapiert der neue Insasse seine Bücher. „Die entzauberte Stadt“ hat er dabei, „Der Fremde“ und „Civil Disobedience“. Der Klassiker über zivilen Ungehorsam ist ein Abschiedsgeschenk. Mark Pollmann versteht sich hervorragend mit seinem Zellengenossen. Die beiden wischen täglich mit Wasser und Duschgel ihren Haftraum durch, unterhalten sich über politische Systeme und Weltreligionen. Mark Pollmann lernt von dem Mann mit algerischen Wurzeln das arabische Alphabet. Im Gegenzug gibt er ihm Papier und Stifte zum Zeichnen. „Er ist an dieser interessanten Nahtstelle zwischen Genie und Wahnsinn“, schreibt Pollmann in sein Knasttagebuch.

Rund 380 Verurteilte treten in Baden-Württemberg jeden Monat die sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe an. In Rottenburg sitzen aktuell etwa 60 solcher Häftlinge, die man eher aus den Protestzeiten gegen Pershing-Raketen in Mutlangen kennt, oder von Castor-Blockaden im Wendland. Mark Pollmann ist der einzige Stuttgart-21-Gegner, der im Gefängnis sitzt. In Rottenburg ist er auch der einzige Ersatzfreiheitssträfling, der nicht zahlen will. Die anderen können nicht. Der Stuttgarter Überzeugungstäter hätte auch gemeinnützige Arbeit leisten können. Doch das fand er absurd. „Das mache ich doch seit Jahren“, sagt er und meint sein Engagement gegen S 21. Mindestens 20 Stunden pro Woche sei er dafür im Einsatz, seit 2007. Der Geograf hält das Projekt für unvernünftig und gefährlich. Und er findet es ungerecht, dass diejenigen kriminalisiert würden, die vor den Risiken warnen. „Das kann ich nicht akzeptieren“, sagt er. Folgerichtig hat er auch den Gerichtsvollzieher nicht akzeptiert, als dieser im April vor seiner Wohnung stand, um die längst fällige Geldstrafe einzutreiben.

Fanpost für den Überzeugungstäter

Die Tür der Effektenkammer in Hafthaus acht schließt sich. Mark Pollmann muss die Hosen runterlassen. Sein Poloshirt ausziehen, die Schuhe, Strümpfe, alles. Dafür bekommt er zwei Seesäcke. Darin stecken zwei Jeans, drei Hemden, sieben Unterhosen, Unterhemden und Strümpfe. Außerdem Bettwäsche und Metallgeschirr. Sein Handy und das angebrochene Päckchen Tabak darf Pollmann nicht mit in die Zelle nehmen. In seinem Tagebuch vermerkt der Neuzugang dass er freundlich aufgenommen wird. Und kaum, dass er 20 Minuten eingesperrt ist, bringt ein Wärter Post: sechs Karten. „Wir lassen uns nicht kriminalisieren“ steht auf der Vorderseite des Papiers, das die Parkschützer gedruckt, an ihren Mitstreiter in der JVA adressiert und großflächig verteilt haben. Bis zum Ende der Haft wird Pollmann mehr als 700 Karten, Briefe und Päckchen bekommen. „Fanpost“, nennen es die Wärter. „Everything is fine in Zelle 05 JVA Rottenburg“ schreibt der Hausfriedensbrecher am Ende des ersten Tages.

Wenn er wollte, dürfte er diese Zelle bereits nach fünf Tagen für immer verlassen. Mit dem Segen einer Verwaltungsvorschrift aus dem Jahr 1998. Demnach kann Ersatzfreiheitssträflingen die Hälfte der Haftzeit „gnadenweise“ erlassen werden. Damit sie nicht die Plätze belegen, die das Land dringend für die schweren Fälle benötigt. Doch Mark Pollmann, der von diesem Gnadenerweis erst hinter Gittern erfährt, will nicht früher raus. Er sei zu zehn Tagessätzen verurteilt und respektiere diese Entscheidung, erklärt er den verdutzten Beamten. So kostet der Absitzer den Staat während seiner Zeit in Rottenburg 1000 Euro. Mark Pollmann, der eigentlich Geld geben sollte, hat kein schlechtes Gewissen. „Der Staat nimmt ja auch von mir Geld für sinnlose Dinge wie Stuttgart 21“, sagt er. Für die Justiz spielen solche wirtschaftlichen Erwägungen keine Rolle. „Eine Strafe muss vollstreckt werden“, sagt eine Sprecherin des Ministeriums. Die gnädige Verwaltungsvorschrift aus dem Jahr 1998 gilt seit dem vergangenen Freitag übrigens nicht mehr. Die Gefangenenzahlen seien rückläufig.

Besorgte Beamte beenden den Schlaf

Das Essen in der Anstalt ist besser als das früher in seiner Mensa, vermutet Mark Pollmann. Es sieht so aus. Er isst es nicht. Der freiwillige Gefangene hat sich gegen die Vollpension entschieden – und für ein lockeres Heilfasten. Er er ernährt sich von wenigen Scheiben Brot, Obst und viel Wasser. Dem Gefängnisarzt versichert Pollmann, dass er keinen Hungerstreik plane. Den Beamten, die das Essen ausgeben, sagt er nichts von seinem Knastfasten. Sie reagieren rasch „aufgeregt“, wie er feststellt. Aus einem seiner Mittagschläfe wird Pollmann von zwei Männern gerissen, die seinen Namen rufen. Sie waren in Sorge, weil der Neue nicht sofort reagierte, als das Abendessen geliefert wurde.

23 Stunden am Tag ist der Absitzer in seiner Zelle. Arbeiten darf er nicht. Es lohnt sich nicht, ihn in einem der Gefängnisbetriebe anzulernen. Eine Stunde gibt es für Hofgang. „Wer da nicht gut mit sich im Reinen ist, für den wird ein solcher Knastaufenthalt zur wahren Hölle – in allem auf sich selbst zurückgeworfen“, schreibt Mark Pollmann am sechsten Tag. Ihm macht das nichts aus. Auch nicht, als sein Zimmergenosse entlassen wird. Mark Pollmann ist gerne in seiner eigenen Gesellschaft.

Draußen vor dem Tor trinkt der frisch Entlassene mit seinen Freunden Kaffee aus einer Thermoskanne. Er würde alles wieder tun, sagt er. Den Bahnhof „begehen“ und das Gefängnis wählen. Daheim wartet ein Willkommens-Frühstück, für den Mittag gibt es eine Einladung zum Spargelessen. Mark Pollmann weiß nicht, ob er mit seiner Haft auch die Kosten für das Gerichtsverfahren abgesessen hat, oder ob er die rund 400 Euro separat bezahlen muss. Er lässt sich überraschen. Was er tut, falls noch eine Rechnung kommt, dürfte keine Überraschung sein.