Der frühere Nutzfahrzeugchef Anton Weinmann wirft kurz vor Beginn des Bestechungsprozesses gegen ihn mehreren Anklägern Verleumdung vor.

Stuttgart - Wirtschaftsprozesse gegen gefallene Manager folgen in der Regel ihren eigenen Ritualen. Die einen sind in der Hoffnung auf ein mildes Urteil geständig und reumütig. Andere halten sich für unschuldig oder sind es wirklich. Rar ist Justizschelte in jeder Form. Insofern ist der für nächste Woche angesetzte Korruptionsprozess gegen den Ex-Chef des MAN-Nutzfahrzeugkonzerns, Anton Weinmann, zumindest eine seltene Ausnahme, wenn nicht etwas völlig Einzigartiges. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, verlautete am Montag mehrfach aus der Münchner Justiz. Denn Weinmann hat die zwei Staatsanwälte, die gegen ihn eine Klageschrift wegen Bestechung in Mittäterschaft und Beihilfe dazu verfasst haben, wegen Verleumdung angezeigt.

 

Die Herausgabe der Klageschrift an die Presse will sein Anwalt per Eilantrag beim Münchner Verwaltungsgericht verhindern. Falls Richter Joachim Eckert, der den Fall am 16. August verhandeln will, das Papier zum Prozessbeginn öffentlich verlesen lässt, muss er selbst mit einer Anzeige wegen Beihilfe zur Verleumdung rechnen, heißt es aus Justizkreisen. Weinmann und sein Frankfurter Anwalt schweigen. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft in München bestätigt die Klage gegen seine Kollegen. Sie sei mangels Anfangsverdacht zwar erst einmal abgewiesen worden, aber dagegen habe Weinmanns Anwalt Beschwerde eingelegt, der Fall liege bis zur endgültigen Entscheidung beim zuständigen Generalstaatsanwalt.

Mit falschen Fakten hantiert?

Weinmann sieht sich hinsichtlich des Vorwurfs, von einem Korruptionssystem in seinem Haus jahrelang gewusst und es gedeckt zu haben, nicht nur als unschuldig. Er wirft Staatsanwälten auch vor, dass sie mit falschen Fakten hantiert hätten. Zudem stünden in der Klageschrift außerhalb des reinen Tatvorwurfs nach seiner Lesart auch ausgesprochene Beleidigungen. Welche das sein sollen, erfährt man nicht. Weinmann würde die Veröffentlichung der Klageschrift als Vorverurteilung empfinden, heißt es in seinem Umfeld. „Das Gesetz schreibt eine Verlesung der Klageschrift zu Prozessbeginn zwingend vor“, stellt die Justiz klar. Andernfalls gebe es keine Verhandlung.

Das Verwaltungsgericht will heute oder morgen über eine Veröffentlichung des umstrittenen Schriftstücks entscheiden. Bis dahin ist nur ungefähr klar, was Weinmann zur Last gelegt wird. Sicher ist, dass es im Münchner Traditionskonzern über Jahre ein ausgefeiltes Schmiergeldsystem gegeben hat, um an Aufträge für Lastwagen und Busse zu kommen. 150 Millionen Euro illegal erlangter Gewinne hat die Staatsanwaltschaft bereits abgeschöpft.

Sechs Verhandlungstage sind angesetzt

Die gesamte Führungsspitze des MAN-Mutterkonzerns inklusive des ehemaligen Vorstandschef Hakan Samuelsson und Finanzchef Karlheinz Hornung musste wegen der Affäre gehen. Von ihnen hat MAN anfangs Schadenersatz in der Rekordhöhe von 237 Millionen Euro verlangt. Mittlerweile wird hinter den Kulissen um Regress im Umfang von einigen hunderttausend Euro verhandelt, heißt es. Andere Manager wurden bereits verurteilt. Sie waren geständig und erhielten Bewährungsstrafen. Gegen Samuelsson und Hornung wurde mangels Tatverdacht nie ermittelt. Weinmann ist damit der ranghöchste MAN-Manager, der wegen des Falls vor Gericht muss. Er wehrt sich mit allen Mitteln der Rechtsstaatlichkeit dagegen. Sechs Verhandlungstage mit mehreren Zeugenvernehmungen bis Anfang September sind angesetzt. Das könnte nach Lage der Dinge zu knapp bemessen sein. Richter Eckert lässt ausrichten, dass er den Prozess dennoch wie geplant zu eröffnen gedenkt. Dazu gehört eine Verlesung der Klageschrift. „Das gibt Krach“, erwartet ein Justizexperte.Damit deutet alles auf eine vor deutschen Gerichten nie da gewesene Konfrontation hin.