Die Zeugenvernehmung von Michael Buback bringt die juristische Aufarbeitung im Prozess gegen Verena Becker nicht voran.

Stuttgart - Es ist schon ungewöhnlich, wie die Rollen im Prozess gegen Verena Becker verteilt sind: Nebenkläger, die Zeugen werden, Ankläger, die sich angeklagt fühlen und ein Prozess, in dem es weniger um Schuld als um die Wahrheit geht. Da sitzt die ehemalige RAF-Terroristin schmallippig, schweigend vor dem Oberlandesgericht Stuttgart, versteckt ihre lichtempfindlichen Augen hinter einer Sonnenbrille. So groß der Name ist, den die zarte Frau von 59 Jahren trägt - Rache für das, was ihr vorgeworfen wird, muss sie keine fürchten. "Ich will niemanden, auch nicht Frau Becker, ins Gefängnis bringen. Was uns Angehörige interessiert, ist allein die Wahrheit", sagt Michael Buback.

 

Er ist der Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback und recherchiert seit Jahren, was genau am 7. April 1977 in Karlsruhe geschah. Zwar sind Knut Folkerts, Christian Klar und - als Strippenzieherin im Hintergrund - Brigitte Mohnhaupt für den Dreifachmord verurteilt worden. Aber wer feuerte die tödlichen Schüsse tatsächlich ab? Und welche Rolle spielt Verena Becker? Dutzende Augenzeugen, den Ex-Terroristen Peter-Jürgen Book und den Ex-Chef des Bundeskriminalamtes, Horst Herold, interviewte der Buback-Sohn zu der Frage, auf die kein Ermittler und kein Beweisstück eine Antwort lieferte.

Buback wird auch als Zeuge vernommen

Deswegen tritt der 66-Jährige in dem Prozess nicht nur als Nebenkläger auf, sondern wurde am Donnerstag auch als Zeuge vernommen. Der Vorsitzende Richter Hermann Wieland forderte ihn mehrfach auf, von seinen "Ermittlungen" zu berichten - und Buback konterte korrekterweise: "Ich habe Gespräche geführt. Aber mir steht keine Behörde zur Verfügung. Ermitteln müssen schon andere."

Doch vieles bei der polizeilichen Arbeit ist eben nicht vorschriftsmäßig abgelaufen. Protokolle von Aussagen, die Augenzeugen nach dem Attentat gemacht haben, fehlen. Jahrelang blieb unter Verschluss, dass der Name des Ex-RAF-Terroristen Stefan Wisniewski als mutmaßlicher Schütze beim Bundesverfassungsschutz kursierte, ohne dass dem nachgegangen wäre. Und so wirken die rote Roben tragenden Vertreter der Bundesanwaltschaft zeitweise nicht wie Ankläger, sondern reagieren mitunter dünnhäutig auf Bubacks Bericht - als müssten sie aus der Defensive heraus agieren, wenn sie den Zeugen unterbrechen und der Falschaussage bezichtigen.

Behörden sollen Becker nach Attentat geschützt haben

Michael Buback, den Laptop vor sich aufgeklappt, einen dicken Leitz-Ordner neben sich, genießt seinen Auftritt. Immer wieder wendet er den Blick nach hinten ins Publikum, wo auch Corinna Ponto sitzt, die Tochter des ebenfalls von RAF-Terroristen ermordeten Bankiers Jürgen Ponto. Gelegentlich gibt es Zwischenrufe, spontanen Applaus für Buback, den Professor, der eloquent spricht, aber auch viel Bekanntes wiederholt. Allzu oft verliert er sich im Klein-Klein seiner jahrelangen Recherchen, deren Ergebnisse er auch schon in Buchform verarbeitet hat.

Und er bringt seine Empörung über die Behörden zum Ausdruck, die Verena Becker nach dem Attentat geschützt haben sollen, weil sie wohl mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeitete. Um das zu beweisen, haben die Vertreter des Nebenklägers weitere Zeugen beantragt: unter anderem sollen der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, einer seiner Vorgänger, Richard Meier, und weitere Verfassungsschützer aussagen. Die Bundesanwaltschaft widerspricht den Anträgen: Die Thesen der Nebenklage stünden "in krassem Widerspruch zu den bisherigen Ergebnissen der Beweisaufnahme".

So oder so ist klar, dass dieses Verfahren manch hohe Erwartung nicht erfüllen wird. Verena Becker ist wegen ihrer mutmaßlichen Rolle bei der Planung und Organisation des Anschlags als Mittäterin angeklagt. Eine Verurteilung als Todesschützin wird es nicht geben.