Eine Mordserie erschüttert Großbritannien: Sieben Babys hat die ehemalige Krankenschwester Lucy L. ermordet. Nun wurde sie zur Höchststrafe verurteilt. Warum die Frau zur Serienmörderin wurde, darüber kann im Verfahren nur spekuliert werden.

Sie tötete sieben Babys und versuchte es bei sechs weiteren: Die ehemalige Krankenschwester Lucy L. ist in Großbritannien zur Höchststrafe verurteilt worden. „Sie werden den Rest ihres Lebens im Gefängnis verbringen“, sagte Richter James Goss am Montag in Manchester. Die 33-Jährige habe „grausam, kalkulierend und zynisch“ gehandelt, als sie die Neugeborenen attackierte. „Einige Ihrer Opfer waren nur einen Tag oder ein paar Tage alt“, sagte Goss. Es handelt sich um die schwerste Mordserie an Babys in der jüngeren britischen Geschichte. Die Angehörigen im Saal weinten und hielten sich in den Armen, als der Richter das Strafmaß verkündete.

 

L. ist nun die vierte Frau, die in Großbritannien zu „whole-life order“ genannter lebenslanger Haft verurteilt wurde und im Gefängnis sterben wird. Ihrem Urteil blieb sie fern, die Anklagebank war leer. Als „letzten Akt der Bosheit eines Feiglings“ kritisierte die Mutter von zwei Opfern das Verhalten der 33-Jährigen, ähnlich äußerte sich Premierminister Rishi Sunak. Er will Straftätern gesetzlich vorschreiben, ihrer Verurteilung persönlich beizuwohnen.

Mädchen starb plötzlich

Am letzten Tag standen die Angehörigen im Mittelpunkt. Sie trugen einen Anstecker mit blauen und rosa Schleifen, die die attackierten Babys symbolisierten. In Aussagen, oft unter Tränen, berichten sie, wie der Tod ihrer Babys ihr Leben verändert hat. Anders als bei der Angeklagten dürfen ihre Namen nicht berichtet werden, die Opfer haben deshalb Buchstaben bekommen: von Kind A bis Kind Q – es ist ein Alphabet des Grauens.

Da ist zum Beispiel Kind D. Vorzeitig geboren, starb das Mädchen plötzlich. Die Beisetzung fand noch vor dem errechneten Geburtstermin statt. „Meine Arme, mein Herz, mein Leben fühlten sich so schmerzhaft leer an“, sagt die Mutter, von Emotionen übermannt, vor Gericht. Sie frage sich jeden Tag, ob sie ihre Tochter im Stich gelassen habe.

L. kümmerte sich nach Tod um Säuglingsleichname

In vielen Fällen war es L., die sich nach dem Tod um die kleinen Körper kümmerte. Bei Kind C etwa, einem Jungen, half sie, eine Box mit Erinnerungen zusammenzustellen, mit einem Fußabdruck. Den Leichnam von Kind E, ebenfalls ein Junge, wusch sie, bevor sie ihn in ein wollenes Gewand kleidete, das sie mit ihren Kolleginnen extra ausgesucht hatte. Wie die Mutter des Kinds erzählt, hatte L. den ganzen Weg der Familienplanung miterlebt, schließlich klappte es mit Zwillingen. Der Bruder von E, Kind F, überlebte den Mordversuch. „Lucy wusste von unserer Reise und hat unseren Jungs absichtlich erheblichen Schaden und Grausamkeit zugefügt“, sagt die Mutter.

Zwar betonen die Angehörigen, dank des Urteils könnten sie anfangen, mit dem Tod ihrer Kinder abzuschließen. „Wir wollten Gerechtigkeit für (Kind D), und dieser Tag ist nun gekommen“, sagt dessen Mutter. Eine andere nennt L. einen „Niemand“. Doch die Frage nach dem Warum ist noch offen. Weil die frühere Krankenschwester bis zuletzt ihre Schuld bestreitet, bleibt ihr Motiv verborgen.

Mehrere Theorien zum Motiv

Ankläger Johnson brachte im Verfahren mehrere Theorien auf. „Letztendlich wollte sie Gott spielen“, sagte er über einen Fall, in dem L. mit einem Kollegen über den bevorstehenden Tod eines Babys sprach. „Sie genoss, was passierte, und sagte fröhlich etwas voraus, von dem sie wusste, dass es geschehen würde“, sagte Johnson. L. hatte Kind P mit Milch überfüttert – 13 Minuten, nachdem sie dessen Drillingsbruder getötet hatte.

Als eine Möglichkeit gilt auch, dass die junge Frau sich bei einem Arzt, in den sie sich angeblich verliebt hatte, interessant machen wollte. Bei der Aussage des Mannes habe sie das einzige Mal im gesamten Prozess emotional reagiert, berichteten britische Medien.

Täterin hinterließ Notizen

Notizen könnten der einzige Hinweis auf ein Geständnis bleiben. „Ich bin böse, ich habe das getan“, stand auf einem Klebezettel, den Ermittler in L.s Wohnung fanden. Ebenso schrieb sie: „Ich verdiene nicht zu leben. Ich habe sie absichtlich getötet, weil ich nicht gut genug bin, mich um sie zu kümmern. Ich werde nie heiraten oder Kinder haben. Ich werde nie wissen, wie es ist, eine Familie zu haben.“ L. sagte im Prozess, die Notizen seien lediglich Ausdruck ihrer seelischen Qualen, nachdem die Kinder in ihrer Obhut gestorben waren. Das nahm ihr die Jury nicht ab.

Offen ist auch, warum L. nicht früher gestoppt wurde. Das Klinik-Management hatte Hinweise von Kollegen oder Vorgesetzten ignoriert oder gar schroff zurückgewiesen. Die Regierung hat eine Untersuchung angeordnet. „Nichts kann ändern, was uns geschehen ist“, sagt die Mutter der Kinder E und F. „Wegen Lucys Verbrechen sitzen wir eine lebenslange Haftstrafe ab.“