Prozess um Autovermieter Langer Hürdenlauf zu Betriebsrat bei Sixt

Der Autovermieter Sixt ist in mehr als 100 Ländern vertreten. Foto: imago/Manfred Segerer

Zwei Frauen wollen bei Sixt in Stuttgart einen Betriebsrat gründen – und werden gekündigt. Mit ihrem Vorhaben habe das nichts zu tun, sagt der Autovermieter. Doch das Muster wiederholt sich.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Gegen die Gründung von Betriebsräten hat der Autovermieter Sixt offiziell nichts einzuwenden. Es sei „einzig und allein die Entscheidung unserer Belegschaft“, ob sie eine solche Vertretung wolle, sagt ein Firmensprecher. „Bislang hat sie sich mehrfach in geheimen Wahlen mit nahezu allen Stimmen dagegen ausgesprochen.“ So blieb das 1912 gegründete Familienunternehmen mit etwa 7000 Beschäftigen in 100 Ländern betriebsratsfrei. Nun gibt es auch beim Sixt-Standort am Stuttgarter Flughafen einen Anlauf für einen Betriebsrat. Doch zwei Initiatorinnen widerfuhr das gleiche, wie es schon Kollegen andernorts erlebt hatten: sie wurden gekündigt. Mit ihrem Vorstoß für einen Wahlvorstand wurde der Rauswurf natürlich nicht begründet; die Behinderung einer solchen Wahl wäre verboten und strafbar. Aber es fanden sich andere Gründe, um sie vor die Tür zu setzen.

 

Überraschender Rückzug nach Erfolg vor Gericht

So war es auch, als 2021 bei der Sixt-Station am Düsseldorfer Flughafen ein Betriebsrat gegründet werden sollte. Den Initiatorinnen wurde fristlos gekündigt, etwa wegen mehrfachen Zuspätkommens oder Hausfriedensbruchs. Mit Unterstützung der Gewerkschaft Verdi wehrten sie sich dagegen. Keineswegs gehe es ihnen, wie unterstellt, um eine möglichst hohe Abfindung; immerhin standen bis zu 90 000 Euro im Raum. Ende 2022 erklärte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf die Kündigungen dann in zweiter Instanz für unwirksam. Doch nach dem langem Kampf gab es Anfang 2023 eine überraschende Wende: die Frauen verließen das Unternehmen freiwillig – aus unbekannten Gründen. Prompt wurde spekuliert, ob ihnen der Abschied mit Geld erleichtert worden sei.

In Stuttgart sieht die Gewerkschaft nun das gleiche Muster. Das Recht auf Mitbestimmung bekämpfe Sixt „mit allen Mitteln und Tricks“, kritisiert die zuständige Verdi-Geschäftsführerin Sidar Carman. Es gehöre inzwischen zur gängigen Praxis, unbequeme Beschäftigte „mit herbeigezogenen Gründen“ loszuwerden. Daher stehe man den beiden Gekündigten vor Gericht bei. Der angebliche Zusammenhang mit der Betriebsratswahl sei „schlichtweg falsch“, hatte Sixt vor der Verhandlung gekontert.

Vorwurf wegen Mietauto zu Vorzugskonditionen

Im ersten Fall kann sich der Autovermieter nun bestätigt sehen. Für das Arbeitsgericht Stuttgart spielte es „keine Rolle“, ob die fristlose Kündigung etwas mit der Betriebsratswahl zu tun habe. „Kann sein, kann auch nicht sein“, meinte die Richterin. Der Vorwurf an die Frau war ein anderer: sie habe ein Fahrzeug zum Mitarbeiterrabatt von 40 Prozent gemietet und es dann ihrem Vater überlassen; für Angehörige wäre der Nachlass aber deutlich geringer. Zudem habe sie kurzfristig ein kostenloses Upgrade auf einen teureren Autotyp veranlasst.

Kurzzeitig sondierte die Richterin die Chancen für eine Einigung: nach achteinhalb Jahren bei Sixt könne die Abfindung 28 000 Euro betragen – ob das vorstellbar sei? „Wir würden es mitmachen“, erwiderte der Anwalt des Autovermieters umgehend. Der Vertreter der Klägerin meinte zunächst, die Summe müsste „um ein Vielfaches höher sein“ – im sechsstelligen Bereich. Doch die Frage von Seiten Sixts nach einem konkreten Betrag blieb unbeantwortet. So entschied das Gericht noch am gleichen Tag, die Klage abzuweisen. Die Kammer sei „von einem (versuchten) Betrug der Klägerin ausgegangen“, teilte eine Sprecherin mit. „Das Gericht hat entschieden, dass die Kündigung wirksam ist“, konstatierte der Autovermieter zufrieden. Verdi äußerte sich enttäuscht und meinte, der Richterspruch werde der Sache nicht gerecht.

Auch die zweite Wahlinitiatorin klagt nun gegen ihren Rauswurf; im März soll darüber verhandelt werden. Die Kolleginnen seien zwar „sehr betroffen“ über das Geschehen der vergangenen Monate, sagt die Verdi-Frau Carman, aber auch „wild entschlossen, einen Betriebsrat durchzusetzen“.

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