Ein Paukenschlag gleich zu Beginn des Prozesses: Kapitän Francesco Schettino bietet eine außergerichtliche Einigung an. Für ein Teilgeständnis sei er bereit, drei Jahre und fünf Monate ins Gefängnis zu gehen.

Grosseto - Unter gewaltigem Andrang von Medienvertretern aus der ganzen Welt hat in der südtoskanischen Stadt Grosseto der Prozess um eine der spektakulärsten Schiffshavarien der vergangenen Jahrzehnte begonnen. Der einzige Angeklagte, Kapitän Francesco Schettino, erschien selbstbewusst und braun gebrannt in dem zu einem Gerichtssaal umfunktionierten Teatro Moderno. Dem 52-jährigen „Commandante“ werden 32-fache fahrlässige Tötung, Körperverletzung, Havarie, vorzeitiges Verlassen des Schiffs, Zurücklassen Hilfsbedürftiger sowie Verweigerung der Zusammenarbeit mit den Behörden vorgeworfen.

 

Das Kreuzfahrtschiff Costa Concordia war am 13. Januar 2012 vor der toskanischen Insel Giglio auf einen Felsen gefahren und gekentert. Beim Unglück starben 32 Menschen, zwei Opfer wurden nie gefunden. Kapitän Francesco Schettino hatte sein 290 Meter langes Schiff mit relativ hoher Geschwindigkeit bis auf wenige Meter vor die Felsenküste Giglios gesteuert.

Schettinos Antrag dürfte wenig Chancen haben

Schettinos Verteidigung hat gleich zum Prozessauftakt für einen Paukenschlag gesorgt: Einer der beiden Anwälte Schettinos, Donato Laino, gab bekannt, dass sein Mandant eine außergerichtliche Festlegung der Strafe anstrebe und sich bereit erklärt habe, als Gegenleistung für eine auf drei Jahre und fünf Monate beschränkte Gefängnisstrafe ein Teilgeständnis abzulegen. Derartige außergerichtliche Deals (in Italien „patteggiamenti“ genannt) hatten vor Schettino bereits die fünf anderen Angeklagten des Prozesses – zwei Concordia-Offiziere, der Steuermann, der Hoteldirektor des Schiffs sowie der Chef des Krisenstabs der Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere – vorgeschlagen. Über ihre Anträge wird das Strafgericht von Grosseto voraussichtlich am kommenden Samstag entscheiden.

Im Unterschied zu den fünf Nebenangeklagten, für deren Angebote der Staatsanwalt Francesco Verusio grünes Licht gegeben hat, dürfte Schettinos Antrag wenig Chancen haben: Der Kapitän hatte bereits in der Voruntersuchung über ein „patteggiamento“ verhandelt und angeboten, für zwei Jahre und zehn Monate ins Gefängnis zu gehen. Das war von der Staatsanwaltschaft abgelehnt worden. Mit Blick auf die am Mittwoch eröffnete Hauptverhandlung hat Schettino nun sein Gebot einfach ein wenig erhöht. Der Staatsanwalt Verusio hatte jedoch schon in der Voruntersuchung ein Minimum von fünf Jahren Gefängnis als Basis für einen derartigen Deal gefordert. Für den Staatsanwalt Verusio steht die Schuld des Angeklagten fest: „Im Prozess geht es bloß noch darum, das Strafmaß festzusetzen“, erklärte der Ankläger.

Der Staatsanwalt rechnet mit einem Urteil im Sommer 2014

Das Verfahren dürfte demnach in seiner vollen Länge abgewickelt werden. Es handelt sich um einen wahren Mammutprozess: Allein die Staatsanwaltschaft will zum Unglückshergang 347 Zeugen befragen lassen. Insgesamt haben sich bisher 242 Zivilkläger eingeschrieben, die durch 62 Anwälte vertreten sind. Die Prozessakten umfassen bereits heute 68 Ordner, wovon 31 allein auf technische Gutachten entfallen; in weiteren vier großen Kartonschachteln befinden sich die Auswertungen der „Blackbox“ der Costa Concordia. Der Staatsanwalt Verusio erklärte am Mittwoch, dass er davon ausgehe, dass der erstinstanzliche Prozess in Grosseto „bis zum Sommer 2014“ abgeschlossen werden könne. Die drei ersten Prozesstage hat das Gericht für formelle Fragen und für die Konstitution weiterer Zivilparteien reserviert.

Unter den Hunderten von Zeugen, die in den nächsten Wochen und Monaten vernommen werden, befindet sich auch die 26-jährige Domnica Cemortan. Die blonde Tänzerin aus Moldawien befand sich während des fatalen Manövers auf der Kommandobrücke und hatte in einem Interview erklärt, dass sie in dieser Nacht wohl noch mit Familienvater Schettino „im Bett gelandet“ wäre, wenn nicht die Havarie dazwischengekommen wäre. Cemortan war auch beim Prozessauftakt anwesend.