Zwei Ex-Daimler-Angestellte und vier Mitarbeiter einer Nacharbeitsfirma sind in einem Korruptionsprozess zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt worden. Für Laptops, Viagra, VfB-Karten und Reisen nach Ischgl hatten die Daimler-Mitarbeiter der Nacharbeitsfirma offenbar Aufträge zugeschanzt.

Sindelfingen - Zu Haftstrafen von sechs und neun Monaten auf Bewährung sind zwei ehemalige Daimler-Mitarbeiter sowie vier Mitarbeiter der Firma BHS aus Zaberfeld (Kreis Heilbronn) vom Böblinger Amtsgericht verurteilt worden. Der Vorsitzende Richter Werner Kömpf und die beiden Schöffen sehen es als erwiesen an, dass die Firma BHS jahrelang Mitarbeiter in der Qualitätskontrolle im Sindelfinger Mercedes-Werk mit Laptops, Viagra, VfB-Karten und Reisen in den Skiort Ischgl geschmiert hat. Dafür sollten die Daimler-Leute der Nacharbeitsfirma BHS Aufträge von Zulieferern zuschanzen.

 

„Es ist über Jahre ein System des Gebens und Nehmens entstanden“, sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung. Begonnen habe dies bereits vor vielen Jahren mit „kleinen Gefälligkeiten zur Klimapflege“. Dies habe sich immer mehr ausgeweitet. Werner Kömpf gab sich davon überzeugt, dass nur ein Teil der Bestechungsfälle überhaupt ans Licht gekommen sei. Nachgewiesen werden konnten den sechs Angeklagten zwischen neun und 17 Fällen. Als Hauptdrahtzieher sah das Gericht auf Daimler-Seite einen 53 Jahre alten Mann, auf Seiten von BHS einen der beiden damaligen Geschäftsführer.

Mit Gefälligkeiten wurden Qualitätsprüfer geschmiert

Aufgabe der Qualitätsprüfer bei Daimler ist es, die angelieferten Teile der Zulieferer zu kontrollieren. Bei Mängeln werden die Zulieferer verständigt. Diese beauftragen dann eine Nacharbeitsfirma, die den Schaden möglichst rasch behebt. Dabei haben offenbar die Qualitätsprüfer im Mercedes-Werk Einfluss auf die Auswahl der Nacharbeitsfirma. Diesen Einfluss wollte sich BHS – eine von etwa sieben Nacharbeitsfirmen, die regelmäßig für das Sindelfinger Mercedes-Werk im Einsatz waren – zu Nutzen machen. Mit Gefälligkeiten und Geschenken wurden die Mitarbeiter bei Daimler bei Laune gehalten. So erhoffte sich das Unternehmen viele Aufträge.

Zwar konnte das Gericht den Angeklagte nicht nachweisen, dass durch die Geschenke tatsächlich Aufträge gewonnen worden waren und BHS gegenüber den Mitbewerbern bevorzugt worden war. Aber das sei auch nicht notwendig. „Wir sehen es als erwiesen an, dass die Daimler-Leute Geschenke von BHS erhielten. Und es ist in dem Verfahren auch klar geworden, dass die Mitarbeiter der Qualitätskontrolle Einfluss auf die Auftragsvergabe hatten“, sagte der Richter. Damit seien die Beteiligten eine Unrechtsvereinbarung eingegangen.

Ins Rollen gebracht hatte die Ermittlungen gegen BHS und die Qualitätskontrolleure ein ehemaliger Mitarbeiter von BHS. Auch er war offenbar in das System involviert. Nachdem er entlassen worden war, erstattete er anonym Anzeigen und informierte gleichzeitig die Presse.

Er war der Hauptbelastungszeuge im Verfahren gegen fünf Männer und eine Frau vor dem Böblinger Amtsgericht. Die sieben Verteidiger der sechs Angeklagten erklärten den Mann übereinstimmend als unglaubwürdig. Seine Aussagen seien widersprüchlich. Trotz einiger Schwächen in der viereinhalbstündigen Aussage des Hauptbelastungszeugen waren der Richter Kömpf und die Schöffen davon überzeugt, dass die vorgebrachten Vorwürfe stimmten. Dies würde auch durch die bei der Firma BHS beschlagnahmten Unterlagen bestätigt.

Richter kritisiert Prozessverzögerung

Strafmildernd wirkte sich für die Angeklagten die lange Verfahrensdauer aus. Vier Jahre waren von der Anzeige bis zur Prozesseröffnung vergangen. Ermittlungspannen habe es bei der Polizei gegeben, aber vor allem die Staatsanwaltschaft habe die Anklage hinausgezögert, kritisierte der Richter Kömpf. „Dabei lagen eigentlich 2009 alle Fakten auf dem Tisch.“

Schwierig sei auch die Rolle der geladenen Zeugen gewesen – mehr als 20 hatten ausgesagt. „Sowohl die Zulieferer als auch die geladenen Daimler-Mitarbeiter sagten sehr defensiv aus.“ Auch sei es nicht hilfreich gewesen, dass das Mercedes-Werk zwar eine interne Untersuchung gegen die angeklagten Mitarbeiter durchgeführt, aber diese Ergebnisse nicht dem Gericht zur Verfügung gestellt habe. Die beiden gestern verurteilten Mitarbeiter waren bereits vor Jahren entlassen worden, allerdings offenbar mit einer Abfindung. Ein finanzieller Schaden sei dem Mercedes-Werk nicht entstanden, hatte ein Unternehmensanwalt erklärt.

Einige der Verurteilten erklärten, dass sie Berufung gegen die Entscheidung einlegen würden.