Eine brutale Schlägerei beschäftigt zurzeit eine Schwurgerichtskammer des Stuttgarter Landgerichts. Dabei wurde einem jungen Mann derart heftig ins Gesicht geschlagen, dass sein Oberkiefer auf einer Seite abbrach.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Weinstadt - Wenn an diesem Samstag das Frühlingsfest auf dem Cannstatter Wasen beginnt, hat der Mediziner am Stuttgarter Katharinenhospital, der am Freitag vor dem Landgericht als Zeuge ausgesagt hat, wieder alle Hände voll zu tun. „Solche Verletzungen am Jochbein haben wir oft, vor allem dann, wenn der Wasen stattfindet“, antwortet er der Vorsitzenden Richterin Regina Rieker-Müller, die wissen will, ob die Blessuren im vorliegenden Fall für den auf Kopfverletzungen spezialisierten Arzt und Zahnarzt außergewöhnlich oder eher alltäglich seien. „Aber dass der Oberkiefer komplett abgebrochen ist, das kommt selten vor“, ergänzt er.

 

Eine solche Verletzung hat ein junger Mann erlitten, der in der Nacht vom 29. auf den 30. August vergangenen Jahres kurz nach Mitternacht in Weinstadt zusammengeschlagen worden ist. Er war zusammen mit Freunden an der Tankstelle beim S-Bahnhof Endersbach auf eine andere Gruppe junger Männer gestoßen. Als diese Drogen von ihnen wollten, sie aber keine hatten, hätten die anderen verlangt, dass sie Handys und andere Wertsachen herausrücken sollen. Daraufhin seien sie davon gerannt, die anderen hätten sie verfolgt und zusammengeschlagen. Zwei wurden dadurch so schwer verletzt, dass sie in ein Krankenhaus gebracht wurden.

„Ich habe Ihnen einen Schädel mitgebracht“, sagt der Arzt und zieht ein Demonstrationsobjekt aus Kunststoff aus dem Rucksack. An diesem sind die Titanplatten und Schrauben angebracht, die dem jungen Mann während einer Operation eingesetzt wurden, um die Kieferknochen wieder richtig zusammenwachsen zu lassen. Dennoch könnte es noch zu Komplikationen kommen, erklärt der Arzt. Beschwerden beim Kauen, über Taubheitsgefühle in der Oberlippe bis hin zu Sehstörungen könnten eintreten. Da der Patient nach der Operation nicht mehr im Krankenhaus erschienen sei, könne er nicht sagen, ob er darunter gelitten habe.

Der zweite schwer verletzte junge Mann wurde noch in der Tatnacht stationär ins Rems-Murr-Klinikum in Winnenden eingeliefert. Er hatte Blutungen in einer Niere und blieb mehrere Tage im Krankenhaus. Nach Angaben der Männer haben die Angreifer mit Fäusten und Bierflaschen auf sie eingeschlagen und sie mit Füßen getreten, als sie zu Boden gegangen waren. Fünf Männer müssen sich deswegen seit Februar vor der 1. Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts verantworten. Die Anklage lautet neben Raub und Körperverletzung auf versuchten Mord. Die Angeklagten hätten den Tod der am Boden Liegenden in Kauf genommen, als sie auf sie eintraten.

Bisher haben die Fünf geschwiegen. Einer ließ seinen Anwalt eine Erklärung abgeben, wonach er mit der ganzen Sache nichts zu tun habe. Er habe weder geschlagen noch getreten, er sei einfach mit den anderen unterwegs gewesen. In der Nacht auf Samstag habe in der Tankstelle ziemlich Betrieb geherrscht, sagte ein Kassierer. Da diese eine Schanklizenz habe, dürfe rund um die Uhr Alkohol verkauft werden.

„Mir ist nichts aufgefallen, da so viel los war.“ Nur einen jungen Mann in „Pumphosen“ hat er in Erinnerung, der mit aufgeschürften Knien zu ihm gekommen sei und ein Taxi hätte haben wollen oder die Polizei. Diese sei aber bereits vor Ort gewesen, und der junge Mann, einer der Überfallenen, sei wieder gegangen. Der Prozess wird am Montag fortgesetzt.