Am Samstag gehört Mama mir? Von wegen. Mitarbeiter im Einzelhandel haben nur einmal im Monat ein Anrecht auf einen freien Samstag. Das hat das Arbeitsgericht im Fall einer alleinerziehenden Mutter, die bei Kaufland arbeitet klar gestellt.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen/Stuttgart - In ihren Verhaltensgrundsätzen zur Teamkultur hat die Einkaufszentrumskette Kaufland festgelegt, worauf es ihr beim Umgang mit den Mitarbeitern ankommt: „Wir schaffen Arbeitszeit- und -rahmenbedingungen, die unseren Mitarbeitern die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit ermöglichen.“ Und tatsächlich hätte Alexandra H., die seit 14Jahren bei Kaufland, vormals Schleckerland, in Göppingen arbeitet, dies bis vor kurzem ohne Abstriche bestätigt. Als vor fünf Jahren ihre Tochter zur Weltgekommen sei, sei ihr ein Arbeitsbereich zugeteilt worden, in dem sie überwiegend vormittags gebraucht werde. Frühmorgens verteilt sie neue Etiketten. Auch an Samstagen sei sie auf eigenen Wunsch hin nur selten eingesetzt worden. Doch plötzlich änderte sich das. Für die 30-Jährige ist das ein Problem. Denn sie ist alleinerziehend. Samstags hat der Kindergarten im Göppinger Stadtteil Holzheim geschlossen. Und die Oma kann auch nicht einspringen. Sie arbeitet ebenfalls im Einzelhandel.

 

Strafaktion für Streikengagement?

„Am Samstag gehört Vati mir“, warben die Gewerkschaften in den 50-er Jahren für die Einführung der Fünf-Tage-Woche. Dass die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi auf den Fall aufmerksam wurde und mit Alexandra H. jetzt vor das Stuttgarter Arbeitsgericht zog, hat allerdings einen anderen Grund. Eigenartig sei der Zeitpunkt, zu dem sich die Dienstpläne der Frau geändert hätten, findet die stellvertretende Vorsitzende des Verdi-Bezirks Neckar-Fils-Alb, Carola Gross. Bruchstelle sei das Jahr 2013, als ein siebenmonatiger Streik den Einzelhandel erschütterte. Alexandra H. unterstützte als Betriebsrätin diesen Streik tatkräftig. Offenbar habe sie für ihr Engagement bezahlen müssen, glaubt Gross. Genau dies habe ihr der Hausleiter unter vier Augen angedroht, bestätigt Alexandra H.

Vom Arbeitgeber wird dies allerdings vehement bestritten. Er selbst habe den Göppinger Markt erst 2012 übernommen und im Jahr 2013 umstrukturiert, sagte der Hausleiter. Von mündlichen Absprachen, wie sie die Mitarbeiterin ins Feld führe, wisse er nichts und auch sein Vorgänger könne sich nicht erinnern. Einen Zusammenhang mit dem Streik gebe es nicht.

Rechtslage ist eindeutig

Der Prozess vor dem Arbeitsgericht hat Alexandra H. nun wenig Handhabe gegeben, um ihren Arbeitgeber zu mehr Familienfreundlichkeit und zur Gewährung eines zweiten freien Samstags im Monat zu bewegen. Das Gericht erkannte zwar die Not der jungen Mutter. Tarifvertraglich sei Mitarbeitern im Einzelhandel aber monatlich nur ein freies Wochenende garantiert. Auch aus dem Arbeitsvertrag lasse sich kein Anspruch auf zusätzliche freie Samstage herleiten, etwaige mündliche Nebenabsprachen würden von der Gegenseite bestritten und seien nicht zu beweisen. Auch aus dem Umstand, dass der Klägerin lange Zeit allzu viel Samstagsarbeit erspart geblieben sei, schaffe keinen Anspruch. „Das Bundesarbeitsgericht ist da sehr zurückhaltend“, sagte der vorsitzende Richter.

Wenig kompromissbereit zeigte sich im Anbetracht dieser Rechtslage der Kaufland-Anwalt. „Wenn wir hier Zugeständnisse machen, schaffen wir Begehrlichkeiten bei anderen Mitarbeitern“, sagte der Jurist. Allerdings ist Alexandra H. unter den 65 Angestellten im Göppinger Kaufland offenbar die einzige alleinerziehende Mutter mit kleinem Kind.

Richter: „Vergleich ist besser als Urteil“

Am Ende schlossen beide Seiten auf Vorschlag des Gerichts dann doch einen Vergleich. Darin wird zwar festgestellt, dass es im Ermessen des Arbeitgebers liegt, die Arbeitszeit nach seinen betrieblichen Erfordernissen festzulegen. Gleichzeitig wird er aber daran erinnert, dass er dabei das Interesse der Klägerin, mehr als einen Samstag im Monat frei zu haben, berücksichtigen muss. Er darf also nicht willkürlich vorgehen und schon gar nicht die Samstagsarbeit als Strafaktion nutzen. „Das ist besser, als Ihre Klage einfach abzuweisen“, sagte der Richter.