Der psychiatrische Gutachter hält den Angeklagten im Prozess um den Mord an einer Studentin an der Freiburger Dreisam für frauenfeindlich und rücksichtslos. Er sei auch künftig gefährlich und zudem hoch manipulativ.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Freiburg - Der psychiatrische Gutachter im Freiburger Mordprozess gegen Hussein K. hält den Angeklagten auch in Zukunft für hochgefährlich. Seine Biografie und auch sein Verhalten während des Prozesses böten kaum Anlass zur Hoffnung, sagte der Heidelberger Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Hartmut Pleines, bei der Erstattung seines Gutachtens vor dem Freiburger Landgericht. Weitere Straftaten „gegen Leib und Leben und die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen“ seien zu erwarten, sagte Pleines.

 

Das Freiburger Landgericht muss entscheiden, ob gegen den Angeklagten außer einer Haftstrafe auch der Vorbehalt einer Sicherungsverwahrung verhängt wird. Hussein K. wird vorgeworfen, im Oktober 2016 die 19-jährige Studentin Maria L. überfallen, sexuell missbraucht und bewusstlos in der Dreisam abgelegt zu haben, wo sie im knietiefen Wasser ertrank.

Keine Ausreden für den Angeklagten

Dass der Angeklagte durch die etablierten Therapieangebote in der Haft erreichbar sei, halte er für „mehr als fraglich“, sagte Pleines. Auch die mehrjährige Haftstrafe in Griechenland, wo er eine junge Studentin überfallen und fast getötet hatte, habe ihn nicht dazu gebracht, sein Leben zu überdenken. „Es gab keine angemessene Aufarbeitung der ersten Tat“, sagte Pleines. Zwar habe sich Hussein K. in der Haft gut geführt und fleißig gearbeitet. Darin sieht der Gutachter aber lediglich einen Beleg für die Fähigkeit des Angeklagten zur manipulativen Beeinflussung. So hätten ihm die griechischen Behörden eine positive Prognose ausgestellt, so dass er von einer Amnestie profitieren konnte. Doch bereits ein Jahr nach seiner Entlassung habe er in Freiburg wieder eine junge Frau getötet. Dabei sei er noch brutaler vorgegangen als auf Korfu.

Pleines ließ in seinen Ausführungen keinen Zweifel daran, dass er den Angeklagten für voll schuldfähig hält. Er habe weder eine Schizophrenie, eine Depression noch eine Traumafolgestörung diagnostizieren können. Sein Hang zu schweren Straftaten habe auch nichts zu tun mit Alkohol und Drogen, mit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder mit seiner Herkunft, sagte Pleines. Die Wurzel sei einzig und allein seine Persönlichkeit. „Er hat keinen Resonanzboden für das Leid anderer.“ Pleines attestierte Hussein K. eine „hochgradige Fokussierung auf seine eigenen Bedürfnisse“. Dem fehlenden Gewissen setze er Gleichgültigkeit entgegen.

Ein geheimnisvolles Wolfssymbol

Diese Egozentrik und Rücksichtslosigkeit habe zwar psychopathische Züge, diese seien aber nicht krankhaft. „Das ist ein Charakterbefund.“ Die Berichte des Angeklagten von der Erscheinung eines schwarzen Mannes und von Stimmen, die ihm Befehle erteilten, überzeugten Pleines nicht. „Das hörte sich so an, wie sich Laien eine Schizophrenie vorstellen.“ Auch die gegenüber Ärzten zur Schau getragenen Depressionen nehme er ihm nicht ab. Kurz danach habe man ihn mit anderen Häftlingen fröhlich am Kickerkasten gesehen.

Während der Untersuchungen habe es Hussein K. an Offenheit gefehlt. So habe er angegeben, über keinerlei Erfahrungen mit Pornografie zu verfügen. Doch die Auswertung seines Handys ergab anderes. Dort fanden sich viele Sexbilder, darunter auch etliche, auf denen Frauen als Opfer von sexueller Gewalt gezeigt wurden. Immer wieder tauchten dort Wolfsmotive auf. Ein Tier beugt sich über eine unbekleidete Frau, ein anderes trägt sie im Maul. Der Wolf könne ein Hinweis auf das sexuelle Selbstkonzept von Hussein K. und seine frauenfeindliche Einstellung sein, sagte Pleines. Gegenüber der griechischen Polizei hatte Hussein K. erklärt, er verstehe nicht, warum man so ein Aufhebens mache. „Es geht doch nur um eine Frau.“

Angeklagter macht reifen Eindruck

Dass der Angeklagte, dessen Geburtsdatum unbekannt ist, nach Jugendstrafrecht verurteilt werden könnte, was eine sehr viel mildere Strafe bedeuten würde, ist nach der Aussage des Gutachters und der Stellungnahme der Vertreterin der Jugendgerichtshilfe unwahrscheinlich. Selbst wenn das Gericht zu der Überzeugung kommen sollte, dass Hussein K. zum Tatzeitpunkt noch keine 21 Jahre alt gewesen sein sollte, empfehle er die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts, sagte Pleines.

„Ich sehe keine überzeugenden Hinweise, dass es angezeigt wäre, ihn Jugendlichen gleichzustellen.“ Ähnlich äußerte sich die Vertreterin des Jugendamts. In der Schule habe er auf seine Lehrer einen reifen Eindruck gemacht. Er habe die Flucht kompetent bewältigt und sich in Deutschland anpassungsfähig gezeigt. Im Freundeskreis habe er als Anführer gegolten. Dass er noch nicht auf eigenen Füßen stehe, sonst ein Indiz für Jugendlichkeit, sei Folge der Migration. „Die gängigen Kriterien für die Beurteilung der Reife funktionieren hier nicht“, sagte Pleines.

Das Gericht schloss damit die Beweisaufnahme ab. Das Urteil soll am 22. März fallen. Zuvor sind am 9. und 12. März Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Nebenklage mit den Plädoyers am Zug. Ob sie öffentlich stattfinden, ist noch offen.