Der Auslöser war ein seltsamer Schrei, um einen Passanten aus welchem Grund auch immer zu erschrecken: Wegen einer Nichtigkeit rastet ein 20-Jähriger aus und fällt über einen Studenten her. Eigentlich sei er ein friedlicher Mensch, meint der junge Mann. Seit Dienstag muss er sich am Landgericht wegen versuchten Totschlags verantworten.

Stuttgart - In einen wahren Prügelrausch soll sich ein 20 Jahre alter Mann im März 2016 in Stuttgart hineingesteigert haben. Seit Dienstag muss er sich daher vor einer Jugendkammer am Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Totschlag, gefährliche Körperverletzung und Bedrohung vor.

 

Sowohl für den Angeklagten als auch für das Opfer ist der Abend vor knapp einem Jahr eigentlich schon so gut wie gelaufen. Nach einer durchzechten Clubnacht im Perkins Park fuhr der 20-Jährige mit einem Kumpel und dessen Freundin gegen vier Uhr morgens im Taxi in den Stuttgarter Westen. In der Wohnung des Kumpels wollen die Drei weiterfeiern.Am Ziel galt es nur noch eine kleine Staffel bis zum Hauseingang hinaufzusteigen. Dort begegnete ihnen das Opfer, ein 29 Jahre alter Student. Dieser hatte mit einem Freund abends auf dessen Geburtstag angestoßen und war ebenfalls auf dem Heimweg. Der Angeklagte, der im Prozess aussagte, dass er „lustig drauf“ gewesen sei, kam nun offenbar auf die Idee, den Mann mit einem Schrei zu erschrecken.

Seltsamer Schrei bei zufälliger Begegnung

Der Student sagte in dem Verfahren, dass der Angeklagte sich bis auf „wenige Millimeter“ seinem Ohr genähert habe und einen „Kampfschrei“ ausgestoßen habe. Es kam zu einer kurzen Diskussion zwischen dem Studenten und den beiden Bekannten des Angeklagten. Er solle einfach weitergehen, forderten die beiden. Das wollte der Student aber nicht. Er habe einen Schock gehabt, und den 18-jährigen Begleiter des Angeklagten am Kragen gepackt. Offenbar sah nun der Angeklagte Rot. Erst soll der 20-Jährige den Studenten beschimpft und ihm dann unvermittelt mit der Faust gegen dessen Hinterkopf geschlagen haben.

Laut Anklageschrift kam es nun zu einer wahren Gewaltorgie: Mindestens 30 Mal soll der Angeklagte mit Fausthieben und Tritten das bereits am Boden liegende Opfer traktiert haben. „Ich bringe Dich um“, soll der 20-Jährige dabei mehrmals gebrüllt haben. Der Student trug zahlreiche Verletzungen davon: Eine gebrochene Nase, einen abgesplitterten Zahn, Brust- und Schädelprellungen. Blut lief ihm in den Rachen, die Situation war kritisch.

Der Angeklagte schien sich darum nicht zu scheren: Als Blut des Opfers auf sein Hemd spritzte, beklagte er sich: „Schau, was Du mit meinem Hemd gemacht hast!“, soll er gerufen und dem Opfer noch zweimal gegen die Knie getreten haben. Die Begleiter des 20-Jährigen halfen dem am Boden liegenden Studenten schließlich, versorgten ihn mit Taschentüchern und Kühlpackungen, die sie aus der nahegelegenen Wohnung des 18-Jährigen holten. Das Opfer hatte sich mittlerweile aufgerichtet und verständigte die Polizei.

Angeklagter: Aggressivität passt gar nicht zu mir

In der Verhandlung zeigte sich der Angeklagte reumütig und verstört ob seiner Taten, die er sich nicht erklären könne. Diese Aggressivität passe gar nicht zu ihm. Er sei eigentlich friedlich und ausgeglichen. Vier bis fünf Wodka-Red-Bull will er an dem Abend im Perkins Park zwar getrunken haben, doch sei er noch klar im Kopf gewesen. Auch seine Bekannten berichteten von einer „guten, friedlichen Stimmung“. Rätselhaft bleibt, wie es zu einem Ausbruch derart roher Gewalt kommen konnte.

Das fragt sich auch das Opfer, das noch heute mit den Folgeschäden der Verletzungen kämpft. So ist seine Nasenscheidewand infolge des Bruchs dauerhaft gekrümmt. Nach der Attacke war der Student wochenlang auf Schmerzmittel angewiesen. Auch seelisch ist er nicht mehr der alte: „Ich gehe nicht mehr so oft raus wie früher. Um Betrunkene mache ich einen Bogen“, sagt er. Der Prozess wird fortgesetzt.