Die russische Punkband Pussy Riot hat ein neues Video aufgenommen – ohne Gesichtsmasken, dafür mit viel Makeup und noch mehr Sexappeal. Die Kritik an den herrschenden Verhältnissen ist aber ätzend wie immer.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Ist das tatsächlich Pussy Riot? Die Gruppe von Frauen, die mit ihrem „Punk-Gebet“ in der Moskauer Christus-Erlöser-Kathedrale weltberühmt wurde – dafür aber auch ins Arbeitslager wanderte?

 

Pussy Riot haben ein neues Video aufgenommen – ohne Gesichtsmasken, dafür mir viel Make-up und noch mehr Sexappeal. Das ist – gelinde gesagt – ein ziemlich dramatischer Imagewechsel. Auch die Musik hat sich gewandelt. Der im Studio Rap heißt „Tschaika“ und ist ganz offensichtlich auf den Massengeschmack zugeschnitten.

Und noch etwas hat sich geändert. Von Pussy Riot ist nur Nadeschda Tolokonnikowa übrig geblieben. Ihre beiden Mitstreiterinnen von damals, Marija Aljochina und Jekaterina Samuzewitsch, sind nicht dabei. Stattdessen engagierte Tolokonnikowa Schauspieler und Tänzerinnen.

Das Video zum Song ist nun im Internet zu sehen. Das ist die einzige Chance für Pussy Riot, ihr Publikum zu erreichen. Für die öffentlichen Radio- und Fernsehsender in Russland ist die Gruppe faktisch nicht existent. Über ihre Konzerte wird nicht berichtet, ihre Aktionen werden verschwiegen. Und die Rechnung scheint aufzugehen. In den sozialen Netzwerken macht der Song schon Karriere.

Und auch Pussy Riot hat den Wert der sozialen Medien natürlich längst erkannt. Ihre Fans werden auf ihrem Twitteraccount auf die neusten Berichte über das neue Werk aufmerksam gemacht.

Der Stil der Musikerinnen mag sich geändert haben – ihre Kritik an Staat, Gesellschaft und Kirche ist geblieben. Der neue Clip ist offensichtlich dem russischen Generalstaatsanwalt und ehemaligen Justizminister Jurij Tschaika gewidmet.

Über den singt Nadeschda Tolokonnikowa:

“Ich bin es, der hier die Korruptionsbekämpfung oder – besser – die Korruption per se verwaltet.
Ich liebe Russland, ich bin Patriot,
Aber leben würde ich schon gerne in der Schweiz.”

Der Politiker steht im Verdacht, in direkter Verbindung zur russischen Mafia und andern kriminellen Kreisen zu stehen. Seine beiden Söhne sollen mit den zwielichtigen Methoden des Vaters zu schier unermesslichem Reichtum gekommen sein.

In dem Lied heißt es:

“Mein Sohn wünscht sich zu Weihnachten
Eine Salzlagerstätte, nicht einen Weihnachtsbaum,
Mein Seelenführer hat mir gesagt, Familienwerte gelten als heilig.
Oh Sohn, nur keine Bange,
Mitbewerber werden wir leicht ruhig stellen.
Und dann bekommst du ein Backstein-, ein Schiffs- und auch ein Salzgeschäft
Ich bin Herr des Wortes
Ich werd’ alles regeln, exakt wie versprochen.”

Nawalny auf den Spuren Tschaikas

Russische Aktivisten rund um den Oppositionellen Alexij Nawalny sind seit Jahren auf der Spur Tschaikas und suchen nach Beweisen gegen ihn. Immer wieder präsentieren sie haarsträubende Fakten über Korruption in der russischen Staatsanwaltschaft. Ihre Enthüllungen, die sie auch schon zusammen mit der Zeitung „Nowaja Gaseta“ geführt haben, sind ein gut dokumentierte Beispiele dafür, wie zerfressen der russische Staat von der Vetternwirtschaft ist. Der Generalstaatsanwalt Jurij Tschaika bezeichnet die Ergebnisse der Recherche als Lüge. Konsequenzen hat er nicht zu befürchten.

Interessant ist, wie der mächtige Mann auf das Lied von Pussy Riot reagieren wird. Diese Form des Frontalangriffs hat er noch nie erlebt.

Die Fans stehen auf jeden Fall hinter der Gruppe – wie dieses Tattoo einer Anhängerin zeigt.