Rachel Weisz spielt in ihrem neuen Film „Meine Cousine Rachel“ eine emanzipierte Frau aus dem 19. Jahrhundert. Im Interview spricht sie über den komplexen Charakter und wieso sie sich an dem Begriff „manipulativ“ stört.

Los Angeles - In den vergangenen Jahren hat sich die amerikanisch-britische Schauspielerin und Ehefrau von Daniel Craig zusehends auf anspruchsvolle, komplexe Charaktere spezialisiert. Auch im neuen Film „Meine Cousine Rachel“ bleibt sie dieser Maxime treu.

 
Frau Weisz, Sie teilen mit der Heldin Ihres neuen Films „Meine Cousine Rachel“ den Vornamen. Haben Sie sonst viel gemein mit dieser Frau aus dem 19. Jahrhundert?
Solche Überlegungen stelle ich als Schauspielerin ehrlich gesagt gar nicht an. Zumal in diesem Fall wäre das sicherlich auch müßig gewesen, denn nicht nur spiele ich eine Frau aus dem 19. Jahrhundert, sondern eine, die in den 1950er Jahren von der Schriftstellerin Daphne du Maurier kreiert wurde. Dass Rachel mehr sein will als das Eigentum eines Ehemannes, dass sie sich als Lehrerin einen eigenen Lebensunterhalt verdienen will und dass sie womöglich auch außerhalb einer Ehe an Sex Gefallen finden könnte – das war 1850 radikal und schockierend, in den Fünfzigern höchst modern und heute für die meisten Frauen meiner Generation hoffentlich eine Selbstverständlichkeit.
Wie haben Sie diese Frau empfunden? Als stark, manipulativ oder als Opfer?
Kann sie nicht alles gleichzeitig sein? Manipulativ und trotzdem ein Opfer von Missverständnissen und allgemein der Frauenfeindlichkeit des 19. Jahrhunderts? Und natürlich empfinde ich sie als stark. Eben weil sie Wege begeht, die – wie schon gesagt – für Frauen damals eher unüblich waren. Gleichzeitig bin ich es so leid, dass man Frauen, zumal im Kino, immer wieder mit solchen Labeln behaften will. Ich zumindest versuche immer, Rollen zu finden, auf die nicht nur eine Beschreibung passt. Sondern die – wie jeder Mensch im realen Leben – komplex, schwierig und interessant sind. Meine männlichen Kollegen müssen doch auch nicht immer die Frage beantworten, ob sie ihre Figur für besonders stark halten. Und an dem Wort manipulativ störe ich mich übrigens auch.
Warum das?
Weil man dieses Wort eigentlich fast nur im Zusammenhang mit Frauen verwendet – und es immer abschätzig gemeint ist. Ohne Frage haben Frauen Mittel und Wege, ihren Willen zu erreichen. Die haben Männer aber auch. Verführung und Umschmeichelung, Freundlichkeit und Diplomatie – das können alles Mittel der Manipulation sein. Trotzdem würde niemand auf die Idee kommen, einen Handschlag zwischen Macron und Trump als manipulativ zu bezeichnen. Auch wenn die beiden sich in Wirklichkeit vermutlich am liebsten an die Gurgel gehen würden.
Was Ihre Rachel so besonders undurchsichtig macht ist die Tatsache, dass der Film sein Publikum lange im Unklaren darüber lässt, ob sie Täterin oder Opfer ist. Wie haben Sie diese Ambivalenz gespielt?
Gar nicht. Man kann eine Figur nicht ambivalent spielen, denn natürlich weiß jeder Mensch, was er tut. Natürlich können Emotionen diffus und doppelbödig sein. Aber auf die Frage, ob sie ihren Ehemann mit vergiftetem Tee umbringen will oder nicht, könnte Rachel natürlich eine Antwort geben.
Könnten Sie die Frage selbst beantworten?
Selbstverständlich werde ich das nicht tun, denn der Reiz des Films liegt natürlich gerade darin, ihn aus der wenig zuverlässigen Perspektive des Mannes zu sehen. Aber für mich selbst als Schauspielerin musste ich eine Antwort finden, damit ich Rachel spielen kann. Ich habe nur nie jemandem verraten, welche es ist. Selbst unser Regisseur Roger Michell wollte, dass ich mein Geheimnis für mich behalte. Jeder Zuschauer kann seine eigene Antwort finden.
Neben diesem Geheimnis besticht „Meine Cousine Rachel“ durch tolle Kostüme. Auch Pferdefreunde kommen auf ihre Kosten.
Oh ja, die Pferde. Zum Glück lernte ich reiten schon als Kind, deswegen habe ich anders als viele Kollegen keine Angst vor Pferden. Eine neue Erfahrung war die Arbeit an diesem Film trotzdem, denn meine Erfahrungen von früher beschränkten sich größtenteils auf Ponys. Bei „Meine Cousine Rachel“ musste ich dagegen auf riesigen Hengsten sitzen, echten Vollblütern. Und im Sattel zu reiten, während man in solchen riesigen Kostümen steckt, ist nicht ohne.