Radikalenerlass Überfällige Geste

Winfried Kretschmann an seiner alten Uni in Hohenheim Foto: /Lichtgut/Leif Piechowski

Es ist gut, dass Winfried Kretschmann nun endlich Worte zum Radikalenerlass gefunden hat. Aber sein offener Brief kann noch kein Schlussstrich unter die Aufarbeitung sein, meint Andreas Müller.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Ist es nun eine echte Entschuldigung oder nur laues Bedauern? Am offenen Brief Winfried Kretschmanns zum Radikalenerlass scheiden sich die Geister. Gut ist, dass der Ministerpräsident nun endlich Worte gefunden hat für das Unrecht, das vielen der Betroffenen geschehen ist. Auch die Einladung zum Gespräch ist eine lange überfällige Geste. Doch für einen Schlussstrich unter die Aufarbeitung reicht beides nicht.

 

Erschrecken über die eigene radikale Phase

Zum einen ist Kretschmanns Blick auf den Erlass ein wenig zu stark geprägt vom Erschrecken über seine eigene radikale Phase. Das Glück, das er beim Berufsstart hatte, hatten viele andere nicht. Sie litten oft Jahrzehnte und teils bis heute unter den Folgen der Radikalenjagd, der der Premier zu Recht einen Mangel an Augenmaß bescheinigt. Manches mag sich mit Worten heilen lassen, auch wenn viele Betroffene eine deutlichere Distanzierung erhofft hatten. Doch es gibt auch Fälle, in denen die materiellen Folgen bis heute schwer wiegen. Ein überschaubarer Hilfsfonds für diese sollte sich mit etwas gutem Willen einrichten lassen, ohne dass die Verteilung bürokratisch ausartet. Es gibt also noch einiges zu besprechen, wenn man sich demnächst zum Austausch trifft.

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