Die Freien Wähler im Ludwigsburger Kreistag bringen eine Deponie unter Tage ins Spiel: Bad Friedrichshall-Kochendorf scheint ihnen für die radioaktiven Reststoffe geeigneter als normale Erddeponien. Der Landrat Rainer Haas zieht mit.

Kreis Ludwigsburg - Noch steht das Moratorium des Landes-Umweltministers. Franz Untersteller (Grüne) hatte jüngst verkündet, dass der Transport von radioaktiven Reststoffen aus stillgelegten und abgerissenen Atomkraftwerken vorerst nicht stattfinden soll. Sprich: die rund 50 000 Tonnen der sogenannten freigemessenen immer noch radioaktiven Reststoffe, die für die Erddeponien Froschgraben (Schwieberdingen) und Burghof (Vaihingen/Enz) vorgesehen sind, rollen vorerst nicht an. Die Skepsis ist bei manchen Bürgern dennoch unverändert groß.

 

„Ich befürchte, dass die Politik ihr Moratorium unter dem wirtschaftlichen Druck der Kernkraftwerksbetreiber bald aufheben könnte“, sagt Dierk-Christian Vogt von der Schwieberdinger Initiative „Froschgraben freigemessen“. Seine Initiative begrüße Unterstellers Transportstopp ausdrücklich, weil dadurch Zeit gewonnen werde, „um drängende Fragen zu klären“. Insofern kommt ein am Montag bekannt gewordener Antrag der Freien Wähler im Kreistag nicht zur Unzeit.

Abhilfe gegen „Unbehagen“

Die zweitgrößte Fraktion im Kreistag fordert den Landrat Rainer Haas auf, sich beim Umweltministerium dafür einzusetzen, dass die umstrittenen Reststoffe in der Untertage-Deponie Bad Friedrichshall-Kochendorf gelagert werden. In dem ehemaligen Salzbergwerk könne der Schutt in großer Tiefe deponiert werden. Damit könne dem „Unbehagen, das mit der Ablagerung von freigemessenen Abfällen auf herkömmlichen Deponien verbunden ist“, Rechnung getragen werden, sagt der Fraktionsvorsitzende Rainer Gessler.

Dierk-Christian Vogt von der Schwieberdinger Initiative steht dem Antrag grundsätzlich positiv gegenüber, sieht darin aber noch nicht das Optimum: „Wir würden die Deponierung auf dem Kraftwerksgelände bevorzugen.“ Letztlich gehe es ihm nicht um das Sankt-Florians-Prinzip, sondern um „die bestmögliche Deponierung mit dem kleinsten Übel“.

Der Landrat Rainer Haas zeigt sich aufgeschlossen gegenüber dem Ansinnen. „Ich werde mich dieser Bitte anschließen und das mit dem Umweltminister besprechen“, sagt er und ergänzt: „Wenn das klappen würde mit Bad Friedrichshall, dann wäre mir das auch die liebste Lösung.“

Landrat in der Zwickmühle

Allerdings betont Haas, dass er sich in der hochkomplexen Materie „noch keine abschließende Meinung gebildet“ habe. „Schließlich machen wir alle das gerade zum ersten Mal.“ Er habe kürzlich mit seinem Kollegen Achim Brötel, Landrat im Neckar-Odenwald-Kreis, gesprochen, der sich massiv gegen die Deponierung von radioaktiven Reststoffen des Kraftwerks Obrigheim auf der Deponie Buchen wehrt. Ganz so radikal wolle er sich nicht positionieren, bekennt Haas. „Ich muss durchaus die Interessen der Bevölkerung im Kreis vertreten – aber ich muss eben auch die Gesetze befolgen.“

Nach Ansicht des Landrats muss sich derzeit niemand Sorgen machen, dass das Moratorium des Ministeriums kippt. Er habe kürzlich mit dem Umweltminister Untersteller telefoniert, „und da gab es keine Anzeichen, dass dies in Frage gestellt werden könnte“, so Haas. Dieser Einschätzung will auch Dierk-Christian Vogt von der Schwieberdinger Initiative keineswegs widersprechen. Er vertraue darauf, dass Untersteller erkannt habe, wie wichtig es sei, alle offenen Fragen der komplexen Materie zu klären. Dafür sei wohl gar eine Verlängerung des Moratoriums notwendig.

Wird aus der Deponie Ackerland?

Die Diskussion über freigemessenen Bauschutt ist eine direkte Folge der Energiewende und der Stilllegung von Atomkraftwerken. Während die hoch radioaktiven Reststoffe in einem Endlager, wo auch immer das sein mag, landen sollen, darf das Gros der Reststoffe von Atomreaktoren nach einer aufwendigen Bearbeitung wie herkömmlicher Bauschutt entsorgt werden. Die jeweiligen Kreise, in denen die Kraftwerke stehen, sind dann zur Entsorgung verpflichtet.

Verhängt hat das Umweltministerium das Deponie-Moratorium der Stoffe, nachdem bekannt geworden war, dass auf der Deponie Froschgraben als Nachnutzung landwirtschaftliche Flächen vorgesehen waren – ein Unikum in der Deponielandschaft. So eine Nachnutzung sieht das Ministerium allerdings skeptisch.