Die Grünen im Bezirksbeirat fordern einen Fahrradstreifen in der Lenzhalde. Die CDU ist dagegen, weil das rund 120 Parkplätze kosten würde.
S-Nord - Es sollte eigentlich keine große Sache werden: Das Tiefbauamt hatte lediglich geplant, die Kreuzung Lenzhalde/Robert-Bosch-Straße im Stuttgarter Norden sicherer zu gestalten und außerdem die Bushaltestelle Viktor-Köchl-Weg behindertengerecht umzubauen. Als die Ingenieure ihre Pläne vor einigen Wochen im Bezirksbeirat vorstellten, da kam bei den Lokalpolitikern im Gremium die Idee auf, den Umbau gleich mit dem Bau eines Radwegs oder Radstreifens zu verbinden – und zwar auf einer Länge von 250 Metern im oberen Teil der Lenzhalde von der Robert-Bosch-Straße bis zur Doggenburg. Dafür würden 40 Parkplätze wegfallen. In der Sitzung am 2. Juni einigte man sich mehrheitlich auf einen Schutzstreifen für die Radfahrer. Schnee von gestern! Denn in der Zwischenzeit steht alles wieder auf Anfang. Diskutiert wird jetzt statt über die kleine auch über eine von Radfahrverbänden ins Spiel gebrachte große Lösung: ein Fahrrad- oder Schutzstreifen bergauf über die gesamte 1,5 Kilometer lange Lenzhalde. Der Unterschied zwischen den Varianten: Fahrradstreifen sind 1,85 Meter breit und haben eine durchgezogene Linie. Schutzstreifen sind 1,50 Meter breit mit durchbrochener Linie. Die eine darf nicht, die andere darf vom Kfz-Verkehr überfahren werde. Beide Varianten haben denselben Haken: Rund 120 Parkplätze in der Lenzhalde fallen weg.
Für CDU, FDP Freie Wähler, SPD und Puls im Beirat ein Unding: „Zwar sollte man es Radlern einfacher machen. Aber es gab laut Polizeibericht auf der Strecke seit mindestens drei Jahren keinen Unfall“, sagt Christdemokrat Arthur Roussia. Er und seine Fraktion plädieren für die kleine Lösung mit dem nur 250 Meter langen Schutzstreifen im oberen Bereich der Lenzhalde. Der Wegfall von 120 Parkplätzen sei „undenkbar“. Der kleine Parkplatz mit keinem Dutzend Stellplätzen an der Doggenburg kann laut Roussia den Wegfall nicht ausgleichen. Ein Argument der CDU für die durchbrochene Linie ist der Busverkehr in der Lenzhalde. Roussia: „Fährt ein Bus hoch und einer runter, wird es bei durchgezogenem Streifen viel zu eng.“
Die Grünen und das Linksbündnis im Gremium sind für eine durchgezogene Linie auf der gesamten Länge der Lenzhalde: „Wir fordern ja nur einen Streifen bergauf“, sagt Ralph Wöhrle (Grüne) und fügt hinzu, dass sich viele Radfahrer auf Schutzstreifen unsicher fühlten. Außerdem hält er in der Lenzhalde eine Tempo-30-Zone für wünschenswert. Das würde ein Ausweichen bei Gegenverkehr erleichtern. Wöhrle: „Wir wollen, dass die Stadt sich klimagerecht aufstellt. Dafür müssen wir auch etwas tun.“ Es dürfe nicht nur um die Eigeninteressen der Anwohner gehen.
Damit teilt Wöhrle die Meinung des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) Stuttgart. Vorstandsmitglied Frank Zühlke geht davon aus, dass in den Seitenstraßen genügend Parkplätze vorhanden sind. Außerdem meint er, dass viele Anwohner, die im angrenzenden Bereich mit Parkraummanagements wohnen, sich das Geld für die Parkkarte sparen und in der Lenzhalde parken. Zühlke: „Das ist ja nicht in Ordnung und wäre dann halt nicht mehr möglich.“
Die Mehrheit der Anwohner würde der Wegfall von weit über hundert Parkplätzen sehr treffen, ist Peter Mailänder überzeugt. Er ist selbst Hausbesitzer in der Lenzhalde und geht davon aus, dass Arztpraxen, Anwaltskanzleien und Büros über kurz oder lang wegziehen müssten. „Denn wo sollen Patienten, Kunden und Klienten dann parken?“, fragt er. Auch für die rund 30 Mitarbeiter der Anwaltskanzlei in seinem Haus reichten die Plätze an der Doggenburg nicht.
Stadtplanungs- und Tiefbauamt wollen sich jetzt durch eine Verkehrszählung Klarheit über die Situation in der Lenzhalde verschaffen. „Nach der Sommerpause wird die Diskussion im Bezirksbeirat fortgesetzt“, sagt Alexander Gass vom Tiefbauamt. An der Kreuzung Robert-Bosch-Straße haben mittlerweile die Umbauarbeiten begonnen. Zunächst werden Leitungen saniert, und der Straßenbelag wird erneuert. Außerdem soll eine „Hüpfinsel“ die Überquerung der Straße für Fußgänger erleichtern. Und es soll ein Baum gesetzt werden. Umleitung: stadteinwärts über die Zeppelinstraße. Stadtauswärts geht es einspurig über die Lenzhalde. Gass: „Der Radweg wird zum Schluss gemacht, wenn die Entscheidung gefallen ist.“