Im Stuttgarter Osten ist es am frühen Dienstagmorgen zu einer tierischen Hausbesetzung gekommen: Ein Fuchs machte es sich auf einem Kleiderschrank bequem. StZ-Kolumnist Erik Raidt schreibt über Mensch und Tier.

Stuttgart - Schweine gehören in der Großstadt zum Alltag, manche von ihnen sind sogar auf vier Pfoten unterwegs. Jene von ihnen, die keine nähere Bekanntschaft mit dem Metzger oder dem Jäger machen, leben oft in friedlicher Koexistenz mit dem Menschen. Als besonders beliebt gilt das umzäunte Wildschwein im Wald, das im Frühling vor Jungen und Mädchen seine Ferkelparade aufmarschieren lässt. Ein geringeres Ansehen genießt das gemeine Schrebergarten-Wildschwein, dessen Landschaftsarchitektur empfindsame Seelen an Truppenübungsplätze erinnert.

 

Komplizierter als das Verhältnis Schwein-Mensch und Mensch-Schwein ist das Verhältnis von Mensch und Fuchs. So kam es in den Morgenstunden des Dienstags zu einem Polizeieinsatz im Stuttgarter Osten, nachdem sich eine Frau bei den Ordnungshütern über einen ungebetenen Besucher beschwert hatte. Ein Fuchs war über eine Terrassentür in ihre Wohnung gelangt. Als die Polizisten zur Wohnungsbesichtigung anrückten, saß das Tier auf einem Schrank im Schlafzimmer.

Tierischer Hausbesetzer

Füchse besitzen, im Gegensatz zu Schweinen, einen widersprüchlichen Ruf. Beide gelten als schlau, aber dem Fuchs wird zudem ein falscher Charakter nachgesagt. Sein räuberisches Wesen ist durch das Kinderlied „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ belegt. Neu ist jedoch, dass sich die Tiere in der Hausbesetzerszene tummeln. Früher wäre die Schrankbesetzung als politischer Protest durchgegangen – doch Fuchspelze sind schon seit einiger Zeit zurecht aus der Mode gekommen.

Was also suchte der Großstadtfuchs auf dem Kleiderschrank? Womöglich nur einen warmen Schlafplatz, weil es in der Nacht auf den Dienstag in Stuttgart Hunde und Katzen geregnet hatte und ihm der Pelz nass geworden war. Bei dem Fuchs handelt es sich damit im engeren Sinne um einen Klima-Flüchtling, der aus seinem natürlichen Lebensraum vertrieben wurde. Den Polizisten war das egal, sie eskortierten das Tier über die Terrasse hinaus in den Wald. Der Hausbesitzerin war der Spatz in der Hand offenbar lieber als der Fuchs auf dem Schrank. Dabei ist dessen schlechter Ruf doch nur: ein Märchen.

Tierische Grüße, Erik Raidt