Ralf Schumacher überzeugt bei der Tourenwagen-Meisterschaft weiter eher neben der Strecke als im Mercedes.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Ralf Schumacher ist ein Meister der Ironie. Im Gegensatz zu seinem großen Bruder Michael nimmt er sich im Speziellen und den Motorsport im Allgemeinen nicht ganz so ernst. „Keiner hat mich gezwungen, so langsam zu fahren“, kommentierte der Mercedes-Fahrer seinen dürftigen elften Startplatz beim Saisonauftakt in Hockenheim recht lässig und watschte sich damit selbst ab. Eine gelungene Vorwärtsstrategie – weil ihn sonst womöglich jemand anderes kritisiert hätte.

 

Einen Tag später im Rennen gab es für den manchmal auch ein bisschen schauspielernden Luftikus der Branche gehörig was auf die Mütze. Der BMW-Pilot Bruno Spengler nannte ihn einen „Idioten“. Ausgangspunkt der Beschimpfung war Schumachers Alleingang in einer Kurve und seine recht eigenwillige Interpretation dessen, was möglich ist und was nicht. 50 Meter zu spät, so pflaumte Spengler, habe Schumacher gebremst. Die daraus resultierende Kollision kostete den Kanadier die Motorhaube seines Autos und damit das Rennen. Zuvor drehte Schumacher auch das Auto von Spenglers Markenkollegen Dirk Werner um – und avancierte in Hockenheim zum großen BMW-Schreck.

Aussprache mit Bruno Spengler geplant

Warum ist er so wild? Gute Frage. Erst versuchte der als Pistenrüpel Gescholtene die Vorkommnisse herunterzuspielen, doch nach längerem Überlegen kam er doch noch zu einer dezenten Einsicht. „Mein Optimismus beim Bremsen war wohl etwas zu groß“, gab Schumacher zu, der das Rennen nach einer Durchfahrtsstrafe immerhin als Siebter beendete. Da war Spengler schon beim Duschen. Schumacher kündigte nun eine Aussprache vor dem Rennen am Sonntag (14 Uhr/ARD) auf dem Lausitzring an. „Ich denke, dass es nicht von Nachteil ist, wenn sich die Emotionen etwas legen“, sagte Schumacher.

Am Lausitzring werden die Augen also weiter auf den Chaospiloten von Hockenheim gerichtet sein. Der in Hürth im Rheinland geborene Schumacher hat ohnehin eine Sonderrolle in der DTM – nicht erst seit der letzten Boxauto-Einlage. Eine Frage geistert nämlich immer noch durch die Köpfe kritischer Beobachter: Packt er es noch – oder packt er es nie?

Mercedes hält tapfer an ihm fest, wohl auch weil Schumacher und David Coulthard als ehemalige Formel-1-Sieger gute Namen haben und bekannter sind als langjährige Tourenwagengrößen wie Gary Paffett oder Mattias Ekström. Außerdem ist „Ralle“, wie sie ihn nennen, mit seinen 36 Jahren noch zu jung, um keiner Beschäftigung mehr auf der Rennstrecke nachzugehen. Er absolviert jetzt schon sein fünftes DTM-Jahr, es ist das vierte beim Mercedes-Vorzeigeteam HWA – doch an Kalibern wie Paffett und Jamie Green kommt er teamintern selbst nach dieser ausgiebigen Phase des Übens immer noch nicht vorbei.

Norbert Haug glaubt tapfer an Ralf Schumacher

Die Hoffnung, dass aus ihm noch ein Siegfahrer werden könnte, schwindet jedenfalls rapide – auch wenn der Motorsportchef Norbert Haug tapfer an den Piloten glaubt. Den Rat des großen Bruders Michael anfangs zwar missachtend („Wir Schumachers haben in der DTM nichts verloren“), ist sich der Jüngere seiner schwierigen Lage inzwischen durchaus bewusst. Er fühlt selbst, dass er den Sprung vom Formel-1-Auto in den geschlossenen Tourenwagen immer noch nicht geschafft hat.

Im ersten Jahr war er 14. der Gesamtwertung, dann 11., dann wieder 14., zuletzt 8. „Ganz weg kriegt man den Formel-1-Fahrstil wohl nie, sonst hätte ich vielleicht schon ein DTM-Rennen gewonnen“, gibt er zu. Dieses fünfte Jahr sieht er selbst als seinen womöglich letzten Versuch, den er und Mercedes unternehmen, aus ihm doch noch einen Gewinner zu machen. „Ich weiß nicht, ob es auf meine alten Tage noch funktioniert, um den Titel mitzufahren. Doch wenn wir in diesem Jahr erkennen sollten, dass es keinen Sinn macht, dann macht es keinen Sinn“, sagte Ralf Schumacher in Hockenheim. Er sehe das übrigens „sportlich“. Immerhin.

Trotzdem hat er eigenen Aussagen zufolge immer noch großen Spaß an der DTM, auch weil sie dem passionierten Flugzeugpiloten und Jäger mit nur zehn statt der früher 20 Saisonrennen in der Formel 1 ein viel angenehmeres Leben ermöglicht. „Insofern bin ich froh, dass ich in der Formel 1 nicht mehr sein darf“, sagt er. Das klingt zwar ironisch, ist aber wohl eher nicht ironisch gemeint.