Walter Röhrl braucht die Bewegung. Radfahren, Skifahren und natürlich Autofahren. Die Rallye-Legende feiert am Dienstag ihren 70. Geburtstag. „Ich war immer ein Mensch, der nicht fort wollte“, sagt Röhrl im Interview.

St. Englmar - Das Tempo lässt Walter Röhrl einfach nicht los. „Wenn ich raus gehe vor die Tür, zack. Wenn ich auf’s Rad steige, zack“, sagte die Motorsportlegende und deutete auf die Armbanduhr, so als ob Röhrl die Zeit stoppen wolle. „Ich bin ja bewegungssüchtig.“ Radfahren, Skifahren und natürlich Autofahren. Zweimal wurde Röhrl Rallye-Weltmeister, viermal gewann er den Klassiker von Monte Carlo. Vor seinem 70. Geburtstag am Dienstag sprach der gebürtige Regensburger im Interview der Deutschen Presse-Agentur über ein Leben im Jetzt, Unselbstständigkeit und rote Haare.

 
Herr Röhrl, wie gehen Sie damit um, dass Sie permanent mit ihren früheren Erfolgen konfrontiert werden?
Die Leute meinen vielleicht, dass ich in der Vergangenheit lebe, ich lebe aber gar nicht in der Vergangenheit, ich denke nie daran. Wenn ich alleine bin, würde ich nie denken: Mensch, bist du ein toller Kerl, hast in Monte Carlo gewonnen. Ich werde aber laufend damit konfrontiert, dass ich das erzählen muss. Darum vergesse ich’s nicht. Ich bin aber kein rundum zufriedener Mensch, ich bin immer ein bisschen unzufrieden. Das habe ich von meiner Mutter geerbt. Meine Mutter war eine Frau, die nie lustig war, die nie zufrieden war, die immer gejammert hat. So ein Erbe kannst du nicht ablegen. Ich habe aber allen Grund, zufrieden zu sein. Ich bin gesund, ich hatte Erfolg, ich kann alles tun, mir geht’s gut.
Wo bewahren Sie Ihre Pokale auf?
Von meinen 1000 Pokalen habe ich nur acht oder neun, alle anderen habe ich verschenkt, nur Bilder habe ich sonst noch. Die Pokale geben mir nix, was tue ich mit dem Graffel? Ich bin aus dem Auto gestiegen, war gesund, super, okay, du hast das bestätigt, du bist kein Spinner, kein Träumer, du bist wirklich der Beste. Zehn Minuten später war das vergessen, aus, vorbei. Vielleicht warst du nur der Beste, weil du im besten Auto gesessen bist. Bei deinem nächsten Einsatz muss das noch besser sein. Oder ich hatte neben den Selbstzweifeln wieder den Größenwahn, dass ich im Vorfeld irgendwas erzählt habe, was total bescheuert war: Die Rallye gewinne ich mit zehn Minuten Vorsprung. Da bin ich selber vor mir erschrocken. Immer dieser Spagat zwischen Selbstzweifel und Größenwahn, der hat mich unter Druck gesetzt, es noch besser zu machen.
War die Formel 1 nie ein Thema für Sie?
Nie. Erstens: Da sind viele Leute. Zweitens: Das Auto ist noch wichtiger als beim Rallye-Fahren. Ich bedauere schon, dass ich einen Sport betrieben habe, in dem ein Gerät die entscheidende Rolle gespielt hat, denn ich kann ja nicht behaupten, dass ich der Beste bin, vielleicht bin ich nur im besten Auto gesessen. Deshalb wollte ich Monte Carlo in vier verschiedenen Autos gewinnen, um zu zeigen: Es ist der Mensch, der gewinnt, nicht das Auto.
Für einen scheuen Menschen standen Sie aber viel im Mittelpunkt.
Ich war immer ein Mensch, der nicht fort wollte. Ich bin immer bodenständig gewesen, Reisen, Hotels, das mag ich alles nicht. Und genau das Gegenteil war mein Leben. Zur Rallye-Zeit war ich ja 300 Tage im Jahr fort und das weit über ein Jahrzehnt. Den Rallye-Sport habe ich gewählt, weil das auch über Nacht ist, da ist kein Mensch. Ich wollte ja nur für mich wissen, ob ich gut bin, das muss kein Mensch sonst wissen. Genau das Gegenteil ist eingetreten. Ich war als Kind unglaublich leutescheu, inzwischen hab ich’s gelernt. Ich bin ja seit 30 Jahren nicht mehr aktiv, und trotzdem machen die Leute um mich ein Tamtam. Die sagen nicht: Sie waren mal der beste Autofahrer der Welt. Die sagen stattdessen: Sie sind so ein netter Mensch, Sie sind normal geblieben. Das ist für mich das schönste Kompliment und mir lieber als alles andere.
Woraus haben Sie Ihren Antrieb gezogen?
Ich habe unheimlich unter meinen roten Haaren gelitten, ich hatte als Kind richtig rote Haare. Das war damals etwas ganz anderes als heute, ich wurde immer verspottet im Kindergarten und in der Schule. Jeden, der mich verspottet hat wegen der roten Haare, habe ich verfolgt, und wenn er zwei Meter groß war, habe ich ihn angesprungen. Das hat gedauert bis zur vierten Klasse, bis ich die Schule gewechselt habe. Seitdem ich zwölf bin, habe ich nie mehr gerauft, bis dahin aber jeden Tag. Das Schlimme war, meine Mutter hatte ein Milch- und Käsegeschäft, da sind natürlich die Kunden gekommen und haben sich beschwert, dass ich wieder einen Buben verdroschen habe nach der Schule. Daher habe ich meinen Ehrgeiz: Euch zeig ich’s. Ich bin mir als Aussätziger vorgekommen, diese Dinge prägen. Auch der Gedanke, keine Kinder haben zu wollen, der kommt aus dieser Zeit. Schon als Zehnjähriger habe ich mir gesagt, ich will kein Kind, dass das durchmachen muss, so sehr habe ich gelitten.
Welche Träume haben Sie noch mit 70 Jahren?
Ich möchte mit meinen Oldtimern ein bisschen fortfahren, Reisen machen, zur Zeit schwebt mir Schottland vor. Das scheitert aber daran, dass ich vollkommen unselbstständig bin. Ich hatte bis ich 16 Jahre alt war meine Mutter, die für mich alles gemacht hat, und seitdem ich 18 bin, habe ich immer einen Beifahrer gehabt, der alles für mich gemacht hat. Ich selbst bin aber nicht in der Lage, ein Hotel zu buchen, nicht in der Lage, mir ein Flugticket zu kaufen, daran scheitert’s, darum kann ich nicht fortfahren. Zur Zeit mache ich in meinem Freundeskreis ein bisschen Werbung, ob denn jemand nach Schottland fahren will, damit derjenige das Organisatorische erledigt. Sonst komme ich nicht fort (lacht).