Der Autor Marius Jung hat eine Debatte ausgelöst: Wie viel Humor verträgt das Thema Rassismus? Jung hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit Humor gegen das anzukämpfen, was ihn sein Leben lang begleitet.

Stuttgart - „Geh doch zurück!“ Erst neulich ist es wieder passiert. Marius Jung begegnet dem ganz alltäglichen Rassismus. Mitten in Köln. Mit seiner kleinen Tochter im Kinderwagen läuft er hinter einer Frau auf dem Gehweg, als die sich plötzlich umdreht und schimpft, er sei ihr fast in die Hacken gefahren. Auf die Frage, ob etwas passiert sei, zischt sie nur die drei bösen Worte.

 

Nichts Neues für Marius Jung. Der Kabarettist, Schauspieler und Autor des Buchs „Singen können die alle – Handbuch für Negerfreunde“ hat Erfahrung mit solchen Ausfällen. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit Humor gegen das anzukämpfen, was ihn sein Leben lang begleitet: die mehr oder weniger subtilen Vorbehalte gegenüber seiner Herkunft. Auf der Bühne, vor der Kamera und in seinem Buch verhohnepipelt er den verkrampften Umgang mit Begriffen wie „Neger“, „Afroamerikaner“ oder „Maximalpigmentierte“. Seine Botschaft: nicht um die richtigen Worte, sondern um die richtige Haltung geht es.

Der Autor posiert nackt auf dem Buchcover

„Ich glaube, man kann in den Köpfen mehr bewegen, indem man gemeinsam über vermeintlich verbotene Dinge lacht“, sagt er. Und wie das so ist, wenn man ein mit Tabus besetztes Thema humoristisch angeht: die Zeigefinger der Nation erheben sich. Um sein 2013 erschienenes satirisches Buch ist eine hitzige Diskussion entbrannt.

Das Cover zeigt Marius Jung nackt posierend, die Lenden mit einer roten Geschenkschleife bedeckt. Die Ironie des Schicksals: wegen der Darstellung rassistischer und sexistischer Inhalte hat der Sohn einer Deutschen und eines schwarzen US-Soldaten dafür den so genannten „Negativpreis“ erhalten. Und zwar vom – Achtung, es folgt eine politisch korrekte Bezeichnung! – „Referat für Gleichstellung und Lebensweisenpolitik des Student_InnenRats der Universität Leipzig“.

Manchmal bleibt einem das Lachen im Halse stecken

Marius Jung hat herzlich gelacht. „Man wollte mich vor mir selbst schützen, fand ich sehr entzückend.“ Genau das ist es, was er nicht leiden kann. Die Überheblichkeit mancher Leute, die glauben respektvoll zu sein, dabei aber letztlich nur anmaßend sind. „Es sind eher die kleinen, alltäglichen Ungeheuerlichkeiten, die ich anprangere, nach dem Motto: In Ihre schönen Haare musste ich jetzt einfach mal rein greifen! Oder: Ah, Sie sprechen aber gut Deutsch!“.

In seinem Buch gibt er Handlungsanweisungen im Umgang mit Schwarzen. Zwar meist satirisch überzeichnet, bleibt einem doch oft das Lachen im Hals stecken bei Sätzen wie „Tipp: Vermeiden Sie am Anfang des Gesprächs Fragen nach der Herkunft Ihres farbigen Gegenübers. Streuen Sie diese Frage einfach zu einem späteren Zeitpunkt locker ins Gespräch: Wo Sie gerade zu Hause sagen. Wo ist denn das?“

Auch unter Kreativen gibt es unsichtbare Mauern

Wer sich ertappt fühlt, darf aufatmen. Sie sind nicht allein! „Aus den vielen Reaktionen auf mein Buch höre ich heraus, dass den Leuten vieles einfach nicht klar ist“, sagt Marius Jung. Die Frage nach der Herkunft sei meist das erste, was ein Schwarzer zu hören bekäme. „Das ist einfach nicht so nett. Wenn ich jemanden im Rollstuhl treffe, frage ich ja auch nicht als erstes: Hey, was hast du denn gemacht?“

Auch in der vermeintlich so kreativen, weltoffenen Film- und Fernsehbranche stößt Jung an unsichtbare Mauern. „Dunkelhäutige werden meistens nach dem gängigen Klischee besetzt. Frauen bekommen die Rolle der Putzfrau oder der Prostituierten, Männer die des Kleinkriminellen oder des Trommellehrers.“

Bis vor nicht allzu langer Zeit habe es auch keine schwarzen Moderatoren gegeben. Marius Jung: „Ich unterstelle den Castingleuten keine rassistischen Tendenzen. Da herrscht eher eine Fantasielosigkeit und Feigheit vor, was damit begründet wird, dass das Publikum noch nicht bereit für beispielsweise einen schwarzen Chefarzt sei. Da wird das Publikum für dumm verkauft.“ Die große Aufmerksamkeit, die Marius Jung momentan erfährt, kann also seiner Mission nur zu Gute kommen. Damit auch im letzten Holzkopf ankommt, dass sich schwarze Hautfarbe und kölsche Wurzeln nicht gegenseitig ausschließen.