Rathausstürme im Kreis Böblingen Es lebe die Narrokratie

Hier kocht der Chef persönlich: Stefan Belz, Böblingens OB, als Bäcker. Foto: Eibner-Pressefoto/Roger Bürke

Vorübergehende Amtsenthebung: In den Rathäusern im Kreis Böblingen übernehmen am Schmotzigen Dorschtich die Narren die Macht.

Zum Auftakt der närrischen Woche haben an vielen Orten im Kreis Böblingen die Rathauschefs zwar nicht den Löffel, aber den Schlüssel abgegeben. Alle Macht den Narren heißt es bis Aschermittwoch – und das lassen die sich nicht zweimal sagen. Es ging hoch her rund um die Rathäuser bei den närrischen Spielen und Herausforderungen die eigene Fasnetstauglichkeit unter Beweis stellen.

 

Volle Windkraft voraus

In Böblingen durften zum Beispiel Oberbürgermeister Stefan Belz samt Baubürgermeisterin Christine Kraayvanger und dem Ersten Bürgermeister Tobias Heizmann massenweise Windräder produzieren. Schließlich sorgt das Thema Windkraft dort gerade für stürmische Debatten im Gemeinderat. Unter dem Motto „Böblingen schenkt als erste Stadt jedem Bürger ein eigenes Windrad“, organisierten die Freie Narrenzunft Beblenga, Kemmla-Hexa, Grün-Weiß Böblingen, Wasserbuggl-Hexa und -Deifel, Böblinger Bären, Bluadschlotzer, Giftgrüne Schlossberghexen und Lombamenscha ein perfekt auf das Publikum zugeschnittenes Spiel bei diesem Rathaussturm. Das hatte sich in diesem Jahr nämlich deutlich verjüngt. Der Grund: Böblingens Narrenvereine hatten beschlossen, die närrische Machtübernahme von vormals 16.30 auf 13.30 Uhr nach vorne zu verlegen, damit die Kindergartenkinder der Stadt daran teilnehmen können. „Wir wollen damit den Kindern die Fasnetstradition vermitteln und ihnen auch ein wenig die Angst nehmen“, sagte Kemmla-Hexa und Mit-Organisatorin Bianca Hartmann. Schließlich können die Hexen und Teufel in ihren Masken recht gruselig auf die Kinder wirken. Aus diesem Grund waren einige Hästräger auch schon im Vorfeld in die Kitagruppen gekommen, damit die Kleinen die Hexen und andere Gestalten schon einmal aus der Nähe betrachten konnten. Offenbar ging der Plan auf: Rund 100 Kinder von vier Böblinger Einrichtungen feierten und tanzten begeistert mit. „Das war schon einmal richtig gut. Nächstes Jahr bekommen wir aber noch den ganzen Marktplatz voll“, zeigte sich der Gastwirt und Moderator Freddy Nestele mit dem neuen Konzept recht zufrieden – auch wenn er in Sachen Publikumsresonanz noch Luft nach oben sieht.

Schultes bei der Hexenolympiade

„Raus mit dem Schultes!“, schallte es am schmotzigen Donnerstag um Punkt 11.11 Uhr aus vollen Kehlen über den Weil im Schönbucher Marktplatz. In diesem Fall war es Vize Klaus Finger, da Bürgermeister Wolfgang Lahl als Mitglied einer Narrenzunft in der Fasnetszeit traditionell in seiner oberschwäbischen Heimat selbst sein närrisches Unwesen treibt. Nach einiger Suche schleppten die Feuerhexen Weil im Schönbuch Klaus Finger vors Narrengericht. „Du nimmst an der Hexenolympiade teil“, verkündeten Moderatorin Sandra Kretschmar und Oberhexe Pascal Bauer. Zwar schlug sich das Verwaltungsteam wacker, doch mit Unterstützung der örtlichen Kindergartenkinder war die Machtübernahme im Flecken nach Besenreiten, Dosenwerfen, Piratentanz und einem Hexentanz samt –pyramide in Form des symbolischen Rathausschlüssels schließlich doch perfekt. Für Vize-Schultes Klaus Finger gab’s zur Komplettierung seines Häs einen stattlichen Hexenbesen. „Damit du bis nächstes Jahr ordentlich üben kannst“, witzelten die närrischen Rathausinvasoren.

Spiel und Spaß beim Kampf ums Rathaus

Jubel, Trubel, Heiterkeit vor dem Schönaicher Rathaus am schmotzigen Donnerstag. Bunt und laut ging es zu, als die Lokalmatadoren der Hasenbühl-Hexen den Amtssitz von Bürgermeisterin Anna Walther ins Visier nahmen. Unterstützt bei ihrem Vorhaben, die Regentschaft über das Rathaus zu übernehmen, wurden die Schönaicher Narren dieses Jahr von den Hausemer Schnaidrebblern. Diese waren für die musikalische Begleitung des Rathaussturms verantwortlich. Um kurz nach 13 Uhr war es dann soweit: Angekettet an ihre Kollegen wurde Bürgermeisterin Walther von Hexen aus dem Rathaus auf den Vorplatz geführt. Dort warteten bereits viele Schaulustige auf die Rathausspitze. Bevor die Hasenbühl-Hexen ganz traditionell versuchen, in den Besitz des riesigen, symbolischen Schlüssels zu gelangen, hatte die Bürgermeisterin einige spielerische Herausforderungen zu meistern. Mit viel Einsatz und dem nötigen Humor trat Walther gegen die Hexen in den Wettbewerb. Schlussendlich musste sie sich nicht nur bei den meisten Spielen, sondern auch im den Kampf um das Rathaus geschlagen geben. Wie jedes Jahr regieren von heute an die Hasenbühl-Hexen in der Gemeinde Schönaich.

Barfuß über Steine und baden im Geld

Wellness der etwas anderen Art gab’s für Ekkehard Fauth. Das begann schon damit, dass die drei am Nachmittag vor dem Rathaus versammelten Fasnetszünfte – Aidbachhexen, Aidlinger Stoadeifl und Deufringer Berghexen – dieses nicht stürmten, sondern den Aidlinger Bürgermeister mit einer Demonstration herauslockten. „Wir gehen mit der Zeit“, meinte schmunzelnd Aidbachhexen-Vorstand Florian Breitling. Allzu lange bitten ließ sich der Schultes jedoch nicht und trat angetan mit seiner ganz eigenen Häs, zusammengestellt aus Accessoires aller heimischen Gruppen, vor die versammelten Narren. Die hatten sich für ihn in seinem letzten Amtsjahr eine eher unübliche Taufe ausgedacht, bevor sie endgültig das Regiment in der Gemeinde übernahmen. Nicht Reifen wechseln, Kisten stemmen oder Heuschrecken essen, woran sich Ekkehard Fauth noch lebhaft erinnerte, sondern diesmal barfuß über Steine gehen, einige hochprozentige Fitnessgetränke zu sich nehmen und in Geld - geschredderten DM-Scheinen – baden. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal Geld abschüttele“, sprach er und erhielt als Dank für 24 Jahre gute Miene zum Fasnetspiel Tasse und Urkunde der beteiligten Vereine.

Auch andernorts wie in Sindelfingen, Gärtringen, Magstadt, Grafenau oder Herrenberg stürmten die Narren die Rathäuser.

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