Astronauten ziehen heute alle Register, um Menschen für ihre Arbeit zu begeistern. Das gefällt nicht jedem. Aber die Raumfahrtagenturen verteidigen ihre Mitarbeiter: Sie seien zwar nicht zum Spaß im All – aber ganz ohne Pause gehe es auch nicht.

Stuttgart - Ein Einschlag eines kleinen Brockens, ein lebensgefährliches Sauerstoffleck – auf jedes Problem ist die US-Flugleitzentrale im Februar 1971 vorbereitet. Und dann das: auf dem Mond schwingt Astronaut Al Shepard einen Golfschläger und drischt zwei Bälle in die Höhe. „Weiter, immer weiter“ kommentiert er deren Flug. „Sehr gut“, reagiert Fred Haise von der Bodenstation in Houston und lacht. Inmitten der Erforschung des Weltraums ist der Scherz der Apollo-14-Besatzung eine Sensation, denn bei den millionenteuren Flügen hatten Wissenschaft und Militär im Mittelpunkt zu stehen. „Es war ein Balanceakt“, sagt Shepard später. Heute werden Raumfahrer hingegen immer öfter zu kosmischen Komikern.

 

Als der Deutsche Alexander Gerst im Fußballtrikot seinem US-Kollegen Reid Wiseman als Folge einer Wette im vergangenen Jahr eine Glatze rasiert, wird in Internetforen auch Kritik laut. Statt rumzukaspern, sollten die Männer auf der Internationalen Raumstation ISS die Zeit lieber für Experimente nutzen, heißt es etwa. Johann-Dietrich Wörner, damals Leiter des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), widerspricht vehement. „Ich bin überzeugt, dass die Wissenschaft ebenso in Erinnerung bleiben wird wie die Bilder von Alexander als Fan der deutschen Mannschaft“, sagt der jetzige Chef der Europäischen Raumfahrtagentur (Esa).

Geht heute alles im All? Im Grunde ja, sagt Bobak Ferdowsi von der US-Raumfahrtbehörde Nasa. Der Wissenschaftler ist mit seiner Irokesen-Frisur zum Internetstar geworden. Er denkt, dass die jetzige Generation von Astronauten anders ist als die Pioniere des Alls. Damals seien viele durch eine harte Armeeschule gegangen, zudem habe es keine sozialen Netzwerke wie Twitter gegeben. Heute seien Astronauten charismatische Männer, die im Internet die emotionale Seite der Raumfahrt vermitteln sollen, sagt Ferdowsi zu US-Medien. Doch das können nicht nur Männer. Als sich die Italienerin Samantha Cristoforetti vor wenigen Wochen auf der ISS einen Kaffee zubereitet und darüber einen Clip dreht, schauen sich binnen weniger Stunden Hunderttausende das Video rund 400 Kilometer tiefer auf der Erde an. Auch hier hinterlassen einige User die kritische Frage, welchen wissenschaftlichen Nutzen eine Espressomaschine auf dem Außenposten der Menschheit bringt.

Ein Flug zum Mond wäre auch okay

Esa-Ausbilder Frank de Winne sieht das anders. Die Beschreibung von Kaffeegeschmack im All sei auch deswegen interessant, weil fast jeder Mensch ihn kenne, sagt der Belgier. Die Raumfahrer seien nicht zum Spaß im All – aber auch nicht ohne Spaß. Das dachten wohl auch der Deutsche Thomas Reiter und der Kanadier Chris Hadfield, die im Orbit Gitarre spielten. Hadfield bringt nun ein fast vollständig im All entstandenes Album heraus.

Für Reiter ist der Klamauk im Kosmos aber pikant. Zwar könnten populäre Aktionen auch Menschen interessieren, denen Raumfahrt gleichgültig ist. Im Vordergrund sollte aber die Forschung stehen, sagt der Esa-Mann. Und die Nasa betont, dass die Astronauten einen großen Teil des Tages mit Arbeit verbringen: „Aber auch Raumfahrer brauchen eine Pause von ihren vollgestopften Terminplänen.“

Und nach der Mission kann vor der Mission sein. Gerst würde jedenfalls gern mit anderen zum Mond fliegen. Eine internationale Forschungsreise wäre „die größte Entdeckungsmission, auf die wir Menschen uns seit langer Zeit begeben“ würden, sagt der 39-Jährige. Noch ist eine solche Mission nicht geplant. Nach Informationen der „Bild“-Zeitung will sich Esa-Chef Wörner im Falle eines Flugs für Gerst starkmachen.