Bei einer riesigen Razzia gegen das organisierte Verbrechen haben Polizisten in Europa und Übersee mehr als 1000 Verdächtige gefasst. Diese sollen in zahlreiche Fälle von Menschenhandel, Betrug, Drogen- und Waffenhandel verwickelt sein.

Den Haag/Wiesbaden - In einer konzertierten Aktion gegen das organisierte Verbrechen haben Polizei- und Sicherheitsbehörden aus 34 Ländern in den vergangenen Tagen 1027 Verdächtige festgenommen, 30 rumänische Kinder aus der Gewalt von Menschenhändlern befreit und große Mengen Rauschgift sichergestellt. Die Festgenommenen sollen aber nicht zur Führungsschicht des organisierten Verbrechens gehören, sondern vorwiegend „Mittelsmänner“ sein. Der Schwerpunkt der von der europäischen Polizeibehörde Europol koordinierten Aktion lag in Südosteuropa. Beteiligt waren mehr als 20 000 Polizei- und Sicherheitsbeamte.

 

Die Aktion richtete sich nicht gezielt gegen bestimmte Organisationen oder Banden. Schwerpunkte waren abgestimmte Kontrollen an Flughäfen, Häfen und Straßen, zudem Hausdurchsuchungen. Ziel war es, Schleuserbanden, Drogen- und Waffenhandel, Menschenhandel, Cyberverbrechen sowie Markenfälschungen, Steuerbetrug und Einbruchsdiebstahl aufzuspüren.

Mehrere Millionen Euro Bargeld beschlagnahmt

Sichergestellt wurden 599 Kilogramm Kokain, 200 Kilogramm Heroin und 1,3 Tonnen Cannabis. Mehrere Millionen Euro an Bargeld wurden beschlagnahmt. 30 geschmuggelte Luxusautos, von denen sechs aus Deutschland stammten, wurden aufgefunden. Unter den festgenommenen befinden sich 170 Schlepper; 10 000 nach den offiziellen Angaben „illegale“ Migranten wurden kontrolliert. Die befreiten rumänischen Kinder sollen nach Angaben von Europol sexuell ausgebeutet und zur Arbeit, zum Betteln und zum Stehlen ausgebildet worden sein.

Die Operation Archimedes dauerte vom 15. bis 23. September. An der Aktion beteiligt waren neben den 28 EU-Staaten auch die USA, Kolumbien, Australien, die Schweiz, Norwegen und Serbien. Es gab 300 Einzelaktionen an etwa 260 Orten.

Mit der Aktion, der größten ihrer Art bisher überhaupt, wollen Europol und die beteiligten Staaten aber auch ihre Schlagkraft gegen das organisierte Verbrechen beweisen. Zu PR-Zwecken stellte Europol ein inhaltsarmes Werbevideo, dazu (wenig aussagekräftige) Fotos und mehrere Grafiken zur Verfügung.

LKA Baden-Württemberg war zuständig für Eigentumsdelikte

In Deutschland waren 290 Kontrollstellen an Straßen und Grenzübergängen eingerichtet worden. Das Bundeskriminalamt war für das Thema Menschenhandel zuständig. Die Bundespolizei konzentrierte sich auf Schleuserkriminalität, der Zoll prüfte wegen Rauschgiftschmuggel, Warenfälschung, Verbrauchssteuerbetrug und Drogen. Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg koordinierte die Kontrollen im Bereich der Eigentumskriminalität. Allerdings wurden lediglich drei Italiener in Berlin bei einem Einbruch in ein Antiquitätengeschäft festgenommen.

In Deutschland wurden elf Verdächtige festgenommen, denen Menschenhandel vorgeworfen wird. Im Zusammenhang mit Rauschgifthandel gab es drei Festnahmen, zwei Kilogramm Kokain wurden sichergestellt. Bei 241 mutmaßlich illegal Eingereisten wurden die Personalien festgestellt. Es gab daneben „Verdachtsfälle“ des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung. Die sechs in Deutschland gestohlenen Kraftfahrzeuge wurden in Lettland aufgespürt.

„Meilenstein in der Geschichte der europäischen Polizei“

In Spanien gab es 250 Festnahmen, in Bulgarien rund 200. In Österreich wurden Schlepper insbesondere aus dem Kosovo und aus Ungarn festgenommen. Gegen acht von ihnen wurde Haftbefehl erlassen. Nach Behördenangaben ist es gelungen, Netzwerke für illegale Einwanderung und für Kinderhandel zu zerschlagen. Ebenfalls an der Operation beteiligt waren die europäische Grenzschutzorganisation Frontex und die EU-Justizbehörde Eurojust.

Der Europol-Direktor Rob Wainwright sprach von einem „Meilenstein in der Geschichte der europäischen Polizei“. Das Ergebnis der Aktion sei „eine Warnung an die schlimmsten Verbrecherbanden“. Jörg Ziercke, Chef des Bundeskriminalamtes, erklärte, organisierte Kriminalität sei international: „Dieser Entwicklung muss mit einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden entgegengewirkt werden.“ Die Gewerkschaft der Polizei lobte die Aktion. Die Deutschen hätten an dem Erfolg wesentlichen Anteil.