Mutige Entscheidung oder problematisches Verfahren? Die Wissenschaft streitet darüber, ob die Universität Düsseldorf Annette Schavan zu Recht den „Dr.“ entzogen hat. Doch manche schweigen auffällig.

Stuttgart - An Ratschlägen und Forderungen hatte es nicht gemangelt. Bevor sich der Rat der Philosophischen Fakultät an der Universität Düsseldorf mit dem Fall Schavan beschäftigte, hatten viele Forscher und Forschungsorganisationen ihre Meinung dazu gesagt. Nach der Entscheidung des Fakultätsrats am Dienstagabend melden sich jedoch nur wenige zu Wort.

 

Wie reagiert die Wissenschaft auf die Aberkennung des Doktorgrads?

Wie reagiert die Wissenschaft auf die Aberkennung des Titels?

Weil Schavan gegen die Entscheidung klagen wird, wollen sich weder die Universität noch die Anwälte der Ministerin äußern. Aber auch von der Allianz der großen Forschungseinrichtungen, die die Universität Düsseldorf öffentlich ermahnt hatte, bei der Prüfung wissenschaftliche Standards einzuhalten, gibt es keinen Kommentar. Die Plagiatsforscherin Deborah Weber-Wulff von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin findet nicht, dass die Universität mit der Aberkennung des Titels überreagiert habe: „Die Universität hat sehr mutig und vor allem sehr wissenschaftlich gearbeitet.“ Es habe „ein irrsinniger politischer Druck“ auf ihr gelastet.

Weber-Wulff ist Mitautorin der Website Vroniplag, die ursprünglich Schavans Dissertation unter die Lupe genommen hatte. Damals war Weber-Wulff dagegen, den Fall an die Öffentlichkeit zu bringen. Erst danach, sagt sie, seien noch „ein paar sehr problematische Stellen“ gefunden worden.

Haben sich die Bewertungsmaßstäbe im Laufe der Zeit geändert?

Haben sich die Bewertungsmaßstäbe mit der Zeit geändert?

Der Fakultätsrat glaubt nicht, Schavans Doktorarbeit an Standards gemessen zu haben, die 1980 noch nicht galten, als die Arbeit begutachtet wurde. Es steht die Frage im Raum, ob sich Schavans Fach, die Erziehungswissenschaft, seitdem verändert hat. Aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft ist dies nicht der Fall. „In unserem Bereich gab und gibt es weder damals noch heute minimierte Standards, was das Ausweisen von Zitaten und Paraphrasen betrifft“, sagt der Vorsitzende, Werner Thole von der Universität Kassel. Auch in den 70er Jahren sei klar gewesen, dass jeder Verstoß gegen die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens sanktioniert werde.

Dass die Erziehungswissenschaft damals eine junge Disziplin gewesen sei, lässt Thole ebenfalls nicht gelten: „Pädagogische Promotionen in der philosophischen Fakultät gibt es seit den 1920ern.“

Hat Annette Schavan ein faires Verfahren bekommen?

Hat Schavan ein faires Verfahren bekommen?

Der frühere Präsident der Universität Hohenheim George Turner hält das Verfahren für problematisch: Er kritisiert vor allem, dass ein Gutachten, das Schavan belastete, an die Medien gespielt wurde. „Mit so einer heißen Ware geht man anders um“, sagt er. Die Universität Düsseldorf hatte ihrerseits den Juristen Klaus Gärditz von der Universität Bonn um ein Gutachten gebeten. Darin bescheinigt Gärditz der Hochschule ein ordentliches Verfahren bis zur Empfehlung des Promotionsausschusses, der dem Fakultätsrat riet, Schavan den Titel zu entziehen.

Die Indiskretion mit dem Gutachten wertete Gärditz nicht als Problem. Er widmete sich vielmehr der Frage, ob eventuell ein Mitglied des Promotionsausschusses das Gutachten weitergegeben habe, weil es befangen war. Dafür sah er keine Hinweise.

Schavan will kämpfen: Wie geht das Verfahren weiter?

Schavan will kämpfen: Wie geht es nun weiter?

Der Dekan der Fakultät hat angekündigt, Schavan in den kommenden Tagen die Entscheidung schriftlich zu begründen. Dann hat sie vier Wochen Zeit, am Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage zu erheben. Wie lange das Verfahren dauern wird, ist unklar. Beim Verwaltungsgericht heißt es, dass jeder Fall anders sei.