Wer sich im Ausland einen Strafzettel einfängt, kann der Geldbuße künftig kaum mehr entkommen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)
Berlin - Europa ohne Grenzen? Das gilt für Urlauber, Händler und die Exportwirtschaft, nicht jedoch für Verkehrssünder und Gesetzesbrecher. Wer im Ausland geblitzt wurde, muss bis jetzt kaum befürchten, dass der Strafzettel irgendwann im heimischen Briefkasten landet – geschweige denn, dass die Buße tatsächlich auch bezahlt werden muss.

Das soll sich ändern. Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung, der demnächst im Parlament zur Entscheidung ansteht, will die Rechtshilfe erheblich erleichtern. Von Oktober an sollen Geldstrafen ausländischer Behörden auch auf deutschem Boden vollstreckt werden, sofern das Bußgeld 70 Euro und mehr beträgt.

Das Ansinnen hat eine lange Vorgeschichte: Schon vor fünf Jahren hatten sich die Staaten der Europäischen Union darauf verständigt, Bußgeldbescheide gegenseitig anzuerkennen und wechselweise Hilfe bei der Vollstreckung zu leisten. Bisher war solche Rechtshilfe allenfalls durch bilaterale Verträge geregelt. Im Klartext: ein Knöllchen aus Österreich wurde auch bei uns abkassiert. Post von der französischen oder der italienischen Polizei war hingegen nicht mehr wert als Altpapier.

Carabinieri könnten sich an das Justizministerium wenden


Wenn die geplante Novelle des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Kraft tritt, können sich Flics oder Carabinieri künftig an das Bundesamt für Justiz wenden. Die Bonner Behörde wird dann prüfen, ob der ausländische Strafzettel mit dem deutschen Recht vereinbar ist – und ihn gegebenenfalls dem Adressaten zustellen. Die erleichterte Rechtshilfe erstreckt sich auf insgesamt 39 Delikte. Die Liste reicht von "sexueller Ausbeutung von Kindern" bis hin zur "Fälschung von Zahlungsmitteln". "Besondere Bedeutung für die Praxis", so heißt es im Gesetzentwurf, hätten Ordnungswidrigkeiten "gegen die den Straßenverkehr regelnden Vorschriften".

Den in Zukunft europaweit verfolgten Verkehrssündern steht natürlich auch künftig der Rechtsweg offen. Zuständig für Beschwerden gegen einen ausländischen Bußgeldbescheid sind dann die Amtsgerichte. Damit ein solches Verfahren keine abschreckende Wirkung hat, will der Gesetzgeber eine maßvolle Gebühr festsetzen: pauschal 50 Euro je Einspruch und 75 Euro, wenn es tatsächlich zu einem Prozess kommt.

Wer mit seiner Rechtsbeschwerde scheitert und sich dennoch weigert, die Strafe zu bezahlen, der muss damit rechnen, dass der Gerichtsvollzieher vorbeikommt. Außerdem ist bei besonders hartnäckigen Sündern auch Erzwingungshaft möglich. Obendrein droht unter Umständen ein Eintrag in das Bundeszentralregister. Doch soll dies zugleich auch davor schützen, wegen des gleichen Gesetzesverstoßes mehrfach belangt zu werden.

In Frankreich und den Niederlanden gilt die Halterhaftung


Was deutsche Behörden in Zukunft an ausländischem Bußgeld eintreiben, das kommt übrigens der hiesigen Staatskasse zugute. Zwischen Bund und Ländern ist allerdings noch umstritten, wer welchen Anteil davon kassieren darf. Die Länder hätten gerne die Hälfte. Der Bund reklamiert hingegen, der größere Aufwand liege bei ihm.

Ungeachtet der erleichterten Rechtshilfe werden Hindernisse bei der Strafverfolgung bestehen bleiben. In Frankreich und den Niederlanden gilt bei Verkehrsdelikten zum Beispiel generell die Halterhaftung. Die gibt es in Deutschland so aber nicht. Unklar ist zudem, wie die Justizbürokratie minimale Verfahrensstandards garantieren will. Bußgeldbescheide müssen nämlich in einer Sprache verfasst sein, die der Delinquent versteht.