Kultusminister Stoch zieht gegen die „Frankfurter Allgemeine“ vor Gericht. Deren Behauptung, sein Haus halte ein „vernichtendes Gutachten“ zur Gemeinschaftsschule unter Verschluss, will er sich nicht gefallen lassen. Die Zeitung sieht keinen Grund für einen Widerruf.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart / Frankfurt - Von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) fühlt man sich im Stuttgarter Kultusministerium zuweilen regelrecht verfolgt. So wohlwollend die Bildungsexpertin des Blattes, Heike Schmoll, die Schulpolitik zu CDU-Regierungszeiten begleitete, so ungnädig urteilt sie seit dem Machtwechsel 2011 meist über das Wirken der sozialdemokratischen Ressortchefs. Da wunderte es SPD-Leute kaum, dass Schmoll unlängst als Moderatorin bei einem CDU-Forum auftrat, wo das bildungspolitische Programm für die Landtagswahl diskutiert wurde.

 

Nun aber ist aus dem Grummeln ein offener Konflikt geworden. Der jüngste FAZ-Bericht aus der Feder der 53-jährigen, in Baden-Württemberg aufgewachsenen Korrespondentin in Berlin hat Kultusminister Andreas Stoch (SPD) offenbar den Kragen platzen lassen. Sein Haus greift nun jedenfalls zu einem Schritt, der im Verhältnis zwischen Politik und Medien höchst ungewöhnlich ist. Gerichtlich will Stoch die Zeitung zwingen lassen, eine aus seiner Sicht falsche Behauptung zu widerrufen und nicht mehr zu wiederholen.

Wirklich unter Verschluss gehalten?

Anlass ist ein Artikel von Mitte August, der in der landespolitischen Sommerpause erheblichen Wirbel ausgelöst hatte. Unter der Überschrift „Schwäbisches Himmelfahrtskommando“ berichtete Schmoll da über ein angeblich „vernichtendes Gutachten“ zur Gemeinschaftsschule. Einer der Vorzeigeschulen, der Geschwister-Scholl-Schule in Tübingen, hätten mit der Begleitforschung beauftragte Wissenschaftler denkbar schlechte Noten ausgestellt. Ob selbstständiges Lernen, Inklusion von Behinderten oder Bewertung der Schüler – an allen Ecken und Enden hapere es. Das grün-rote Lieblingsprojekt, so Schmolls Fazit, sei ziemlich unausgegoren.

Nicht an dieser – von Stoch und den Wissenschaftlern prompt relativierten – Bewertung entzündet sich nun der Streit, sondern an einem anderen Satz. Das Gutachten, behauptete die Autorin, werde „vom Kultusministerium bisher unter Verschluss gehalten.“ Prompt schoss sich die Opposition auf Stoch ein: er solle es sofort herausrücken. Das könne er gar nicht, konterte Stoch, weil das Papier seinem Haus nicht vorliege und auch nicht bekannt gewesen sei. „Hier wird bewusst wahrheitswidrig skandalisiert“, empörte er sich.

Zeitung weist alle Forderungen zurück

Die vier Mitglieder der Professoren-Gruppe sprangen ihm alsbald bei. Einzelne Schulberichte seien „nie für das Ministerium vorgesehen“ gewesen und deshalb „zu keinem Zeitpunkt von uns an dieses weitergegeben worden“. Man bedauere sehr, dass Tatsachen „verfälscht in die öffentliche Diskussion“ gebracht worden seien. Als Leserbrief druckte auch die FAZ diese Erklärung. Doch der Kultusminister will mehr, wie sein Sprecher bestätigt: eine Gegendarstellung und eine Richtigstellung des Blattes. Laut FAZ fordert er zudem eine Unterlassungserklärung, wonach die Behauptung nicht wiederholt werden dürfe.

Die Antwort aus Frankfurt war eindeutig. „Wir haben sämtliche geltend gemachte Ansprüche zurückgewiesen, da diese aus unserer Sicht nicht bestehen“, sagte eine Zeitungssprecherin der StZ. Stoch blieb somit nur der Gang vor Gericht, um sein Begehren durchzusetzen. Ob er diesen gehe und entsprechende Schritte eingeleitet habe? Beide Fragen bejahte sein Sprecher. Der Streit geht nun also in Frankfurt vor Gericht weiter, wo über mehrere Klagen zu entscheiden ist. Die FAZ nahm ihre Redakteurin derweil gegen den Verdacht der CDU-Nähe in Schutz. An deren journalistischer Unabhängigkeit, erklärte die Sprecherin, „besteht kein Zweifel“.