Die Bundesregierung will es gut integrierten Migranten erleichtern, einen deutschen Pass zu bekommen. Das soll Fachkräfte im internationalen Wettbewerb anlocken und als Anreiz für eine bessere Integration dienen. Die Union zweifelt an den Plänen.

Gut integrierte Einwanderer und ihre Kinder sollen künftig schneller einen deutschen Pass bekommen. Das Bundeskabinett billigte am Mittwoch entsprechende Pläne von Innenministerin Nancy Faeser. Damit werden Wartezeiten verkürzt und auch Doppelpässe ermöglicht. Deutschland soll so etwa für Fachkräfte attraktiver werden. Die oppositionelle Union befürchtet allerdings, dass das Gesetz „Integrationsprobleme“ verschärft und „falsche Signale“ sendet.

 

Faeser dagegen argumentierte in Berlin, die neuen Regeln für die Einbürgerung setzten Anreize, hierzulande besser Fuß zu fassen. Denn je besser jemand integriert ist, deutsch spricht und sich gesellschaftlich engagiert, desto eher kann er die Staatsangehörigkeit beantragen. „Wir wollen, dass Menschen, die längst Teil unserer Gesellschaft sind, unser Land auch demokratisch mitgestalten können“, sagte die SPD-Politikerin. „Denn unsere Demokratie lebt davon, dass alle mitmachen.“

Wettbewerb um Fachkräfte

Zugleich stärke die Reform die Wettbewerbsfähigkeit. „Wir werden die besten Köpfe in der Welt nur gewinnen, wenn sie in absehbarer Zeit voll und ganz Teil unserer Gesellschaft werden können – mit allen demokratischen Rechten“, sagte Faeser.

Aktuell haben nach Zahlen des Innenministeriums etwa 14 Prozent der Menschen in Deutschland keinen deutschen Pass, etwas mehr als zwölf Millionen. Darunter seien auch rund 5,3 Millionen, die seit mindestens zehn Jahren hier leben. Faeser sieht darin ein Teilhabeproblem: „Wenn ein Teil der Bevölkerung, der hier zu Hause und verwurzelt ist, nicht an politischen Entscheidungsprozessen mitwirken kann, ist das überhaupt nicht gut für unsere Demokratie“, sagte sie.

Vorhaben im Überblick

Grundsätzlich sollen Migranten nach dem Willen der Bundesregierung nun schneller den deutschen Pass bekommen können – aber mit Bedingungen zur wirtschaftlichen und demokratischen Integration.

Einwanderer sollen nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland Staatsbürger werden können. Bisher mussten sie dafür acht Jahre im Land leben. Bei guten Leistungen in Schule oder Job, guten Sprachkenntnissen oder ehrenamtlichem Engagement soll eine Einbürgerung schon nach drei Jahren möglich sein.

Integration als Voraussetzung

Wer in Deutschland eingebürgert werden will, muss sich zu den Werten einer freiheitlichen Gesellschaft bekennen. Ausdrücklich ausgeschlossen wird der deutsche Pass daher für Menschen, die aus antisemitischen oder rassistischen Motiven Straftaten begangen haben. „Wer unsere Werte nicht teilt, kann kein Deutscher werden“, sagte Faeser.

Voraussetzung ist auch, dass man seinen Lebensunterhalt in der Regel ohne Sozialleistungen bestreiten kann. Das wird jedoch scharf kritisiert: „Menschen mit Behinderung, Alleinerziehende und ältere Menschen, die existenzsichernde Leistungen beziehen, können die Anforderungen an einen gesicherten Lebensunterhalt oft nicht erfüllen“, sagte die unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman. Ähnliche Kritik äußerten der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz und Linken-Chefin Janine Wissler. Faeser erklärte, für solche Fälle gebe es die Ermessenseinbürgerung. Eine Behörde kann der Einbürgerung in Ausnahmefällen auch zustimmen, wenn nicht alle Voraussetzungen erfüllt sind.

Mehrstaatigkeit ist möglich

Wer einen deutschen Pass haben möchte, muss den alten künftig nicht mehr unbedingt aufgeben. Sogenannte Mehrstaatigkeit wird zugelassen, wenn Integration und Deutschkenntnisse nachgewiesen werden. Viele Ausländer fühlten sich Deutschland zugehörig, aber zugleich auch mit ihrem Herkunftsland verbunden, argumentierte Faeser. „Sie werden künftig nicht mehr gezwungen sein, einen Teil ihrer Identität abzugeben.“

Im vergangenen Jahr beantragten rund 168 500 Menschen die deutsche Staatsangehörigkeit - und damit laut Innenministerium gerade einmal 3,1 Prozent der Ausländer, die seit mindestens zehn Jahren hier leben.

Kinder sollen schneller Deutsche werden

Alle in Deutschland geborenen Kinder ausländischer Eltern sollen einen deutschen Pass bekommen, wenn mindestens ein Elternteil seit mehr als fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt. Bisher gilt hier eine Frist von acht Jahren. Die Kinder sollen zusätzlich die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern behalten dürfen.

Erleichterungen für Gastarbeiter-Generation

Für Menschen, die bis in die 1970er Jahre als Gastarbeiter nach Deutschland oder bis 1990 als Vertragsarbeiter in die DDR kamen, soll es einfachere Regeln geben. Sie hätten in der Vergangenheit nur wenig Angebote zur Integration bekommen, argumentierte Faeser. Auf schriftliche Deutsch-Prüfungen und einen Einbürgerungstest will die Bundesregierung deshalb verzichten. Sie müssen nur nachweisen, dass sie sich im Alltag ohne nennenswerte Probleme auf Deutsch verständigen können.

Öffentliche Einbürgerungen

Einbürgerungsurkunden sollen künftig in der Regel öffentlich übergeben werden.

Nach Möglichkeit solle dies „in feierlicher Form und unter Verwendung der nationalen Symbole“ erfolgen, heißt es im Entwurf.

Union sieht Risiken

Die Union im Bundestag hält die Reform für einen großen Fehler. „Das Gesetz sendet die falschen Signale in einer Zeit, in der die Integrationsprobleme in unserem Land immer größer werden und die illegale Migration völlig aus dem Ruder läuft“, sagte Innenpolitiker Alexander Throm (CDU). CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte: „Wer in Zeiten immer neuer Höchstzahlen bei der Migration auch noch die Voraussetzungen für den deutschen Pass absenkt, provoziert die weitere Polarisierung in der Gesellschaft.“ Fraktionsvize Andrea Lindholz warnte, der Doppelpass verstärke politische Einflussmöglichkeiten ausländischer Staaten in Deutschland.

Mit dem Beschluss im Kabinett ist das Gesetz noch nicht in Kraft. Es wird nun an den Bundestag weitergeleitet, der nach mehreren Debatten-Runden darüber abstimmt. Faeser sagte, im Idealfall könne die Reform im Januar umgesetzt sein.